Iron Flowers II – Die Kriegerinnen

Liebe Lesende,

erinnert ihr euch noch daran, wie ich vor fast exakt einem Jahr versprochen hatte die Iron Flowers Reihe nicht wieder anzurühren? Ich hatte in meinem Frust über Tracy Bangharts mangelnde Ausführung eines vielversprechenden Konzepts, geschworen um die Vorsetzung einen weiten Bogen zu ziehen. Und trotzdem liegt nun eine Review zur Fortsetzung vor euch – wie kommt’s?

Das Gewissen mein Leben durch die Verbannung von Iron Flowers positiv bereichert zu haben ließ mich einige Wochen gut schlafen, doch dann drängten sich mir vermehrt Fragen auf. Hatte ich die Dilogie zu schnell verworfen? Die Reihe hat durchaus Fans, vielleicht hatte ich etwas übersehen? Konnte der zweite Teil die Fehler des Ersten noch ausbessern? War ich im Unrecht Banghart nicht noch eine Chance zu geben?

Schlussendlich startete ich einen zweiten Versuch, angetrieben von der Hoffnung auf ein versöhnliches Ende mit der Dilogie und der Angst um ein weiteres ungehörtes Audiobuch, das mich bei jedem Öffnen meiner Audible Bibliothek vorwurfsvoll anstarren würde.

Solltest du meine Review zum ersten Band nicht gelesen haben, kannst du das gern hier nachholen und später zu diesem Artikel zurückkehren.

Beginnen wir wie immer mit den Eckdaten: Die Kriegerinnen (Originaltitel Queen of Ruin) von Tracy Banghart, zweiter und abschließender Teil der Dilogie Iron Flowers. 397 Seiten, erschienen auf Deutsch am 23. Januar 2019 im FISCHER Sauerländer Verlag, zu finden unter der ISBN 9783737355629.

Cover Deutsche Ausgabe

Klappentext

Sie haben alles verloren.

Doch sie kämpfen weiter.

Denn das Schicksal aller Frauen und Mädchen liegt allein in ihrer Hand.

Die Schwestern Serina und Nomi sind Gefangene: Nomi im Palast eines brutalen Regenten, der alle Frauen unterdrückt. Serina auf einer Gefängnisinsel, auf die sie verschleppt wurde. Um in dem brutalen Regime zu überleben, bleibt den Schwestern nur eins: erbittert zu kämpfen – gegen die Unterdrückung und für ihre Liebe. Mit allen Mitteln und jede auf ihre Weise.

Atemberaubende Spannung, mitreißende Gefühle und der Kampf gegen Unterdrückung: der zweite und abschließende Band der fulminanten Serie!


Für diese Review werde ich die Struktur etwas anders gestalten und euch zunächst mein Urteil direkt mitteilen, um dann zu erklären wie ich dazu gekommen bin. Ich finde nicht, dass das Buch halten kann, was der Klappentext verspricht. Es ist nicht nur mein Frust darüber, dass Banghart sich mit der Fortsetzung kein Stück weiterentwickelt und ich mich erneut durch eine Geschichte quäle, die keine Hoffnung auf Besserung zulässt. Es ist viel mehr die Herausarbeitung einiger fragwürdiger Botschaften, die hier an eine junge Leserschaft vermittelt werden. Auf Goodreads habe ich eine deprimierende Bewertung von 2 von 5 Sternen gegeben und hier findet ihr mein ausführlicheres Warum? – Meine persönlichen 5 Stages of Grief, leider nicht wie im Original als Kreislauf, sondern eher eine Abwärtsspirale:

1. Alte Fehler. Ihr wisst sicher was jetzt kommt. Die Dinge, die mich schon im ersten Band gestört haben ziehen auch hier wieder an meinen Nerven. Das betrifft vor allem zwei Dinge: Pacing und Tiefgang. In Die Rebellinnen war mir das Pacing zu schnell und man hatte kaum Zeit emotional in die Figuren zu investieren. Die Fortsetzung hingegen ist auf eine seltsame Art gleichzeitig zu schnell und zu langsam. Ich habe erst an meinem Empfinden gezweifelt, doch nach einem kurzen Blick auf Goodreads kann ich bestätigen, dass es nicht nur mir so geht. Man hat irgendwie das Gefühl in der Handlung nicht vorwärts zu kommen und trotzdem scheint kaum Zeit zu bleiben Konflikte, Ideen und Charaktere tiefer zu ergründen. (Nicht zuletzt dadurch schleicht sich zunehmend das Gefühl ein sie würden bestimmte Dinge nur tun, weil die Autorin zum nächsten Plotpoint kommen muss.)

2. Der Fokus. Nachdem sie das ganze erste Buch darauf hingearbeitet haben, sind die Schwestern Nomi und Serina nun endlich wieder vereint, allerdings unter schwierigen Umständen. Meiner Meinung nach hätte Banghart hier wunderbar ansetzen können und im zweiten Teil den Fokus darauf legen, wie die Schwestern nach den Veränderungen, die sie durchlaufen mussten ihre ursprüngliche Dynamik verloren haben. Nachdem sie getrennt voneinander als Individuen gewachsen sind müssen sie nun als Team neu zusammenfinden und gemeinsam in ihren veränderten Rollen aufkommende Hürden überwinden. Einiges davon wird zwar tatsächlich behandelt, wie Nomis Überraschung und später Stolz über Serinas Führungsposition in der Rebellion. Doch Banghart trennt die Schwestern bereits nach wenigen Kapiteln wieder, vermutlich aus Angst die geteilte Erzählstruktur könnte sonst ihren Reiz verlieren. Ein durchaus verständliches Argument. Ich denke trotzdem, dass es für die Leserschaft ein Verlust ist, nicht mehr von Serinas und Nomis veränderter Dynamik zu sehen, da sich hier viel Konflikt- und Entwicklungspotential bietet. Schließlich ist ihre Beziehung die Kernmotivation unserer Protagonistinnen, das, was die gesamte Handlung antreiben sollte.

3. Die Charakterentwicklung. Bei Nomi fange ich erst gar nicht mit Suchen an, denn egal wie ich es drehe und wende: Sie ist am Ende der Reihe genauso naiv, wie im ersten Kapitel. Wiederholend gerät sie in prekäre Situationen, die nur deshalb zu keinem gravierenden Problem eskalieren, weil der Plot es so verlangt. Zum Teil denkt sie sogar Dinge alá „Zum Glück befinden sich in diesem Palastkorridor gerade keine Wachen, sonst würde mein Plan nicht funktionieren.“ oder „Das war jetzt aber Zufall, dass mich niemand gesehen hat.“ (Keine Zitate). Nein, das ist kein Witz, das ist einfach schlechte Schriftstellerei. Serinas Entwicklung war im ersten Teil interessant und einer der Gründe warum ich überhaupt die Motivation sammeln konnte die Fortsetzung aufzuheben. Ihre neue Rolle als Anführerin der Rebellion sorgt für reichlich Entwicklungspotential, auch wenn ihr für meinen Geschmack alles ein wenig zu leicht zufällt. Aber Banghart gelingt es durchaus die Konflikte und Probleme dieser Position zu beleuchten und auch Serinas Rolle am Ende des Buches finde ich passend – Credit where Credit is due. Leider zieht Banghart das ganze wieder runter, indem sie einen elementaren Bestandteil von Serinas Charakter einfach über Bord wirft. Im ersten Teil war Serinas Weigerung zu töten eine zentrale Motivation für ihren Charakter. Sie nimmt zum Schutz ihres Moralkodex Verbannung, Verrat und sogar den eigenen Tod in Kauf. Doch im zweiten Teil will uns Banghart den Wille zu töten anscheinend als Charakterentwicklung verkaufen. Serina wandelt sich von „Jedes Leben ist heilig. Ich sterbe lieber als meine Moral anzutasten.“ zu „Diesen Mann erschieße ich, obwohl es nicht nötig wäre, nur um auf Nummer sicher zu gehen.“ Ist das wirklich eine Botschaft, die man unserer konfliktgeladenen Gesellschaft vermitteln möchte?

4. Die Botschaften. Da wir schon beim Thema sind, möchte ich noch ein wenig hier verweilen. Das zentrale Motiv der Geschichte ist die Auflehnung gegen das Patriarchat. Dadurch, dass für Bangharts Protagonistinnen eine Welt in der sie selbst über ihr Leben entscheiden können, Geld verdienen und sich bilden dürfen die Utopie ist bleibt das Konzept der Unterdrückung für die Leserschaft leicht nachvollziehbar. Jeder erkennt die Ungerechtigkeiten sofort und es ist leicht als Lesende mit den Charakteren mitzufühlen. Aber es motiviert nicht dazu selbst aktiv zu werden. Für zu viele Frauen und andere marginale Gruppen ist das, was Banghart beschreibt auch in unserer Welt alltäglich und das Leid dieser Menschen verdient mehr Aufmerksamkeit. Doch Iron Flowers richtet sich an den westlichen Markt, an amerikanische und europäische Menschen deren Alltag durch ganz andere Formen von (Hetero-) Seximus geprägt ist. Eine komplexere und vielschichtige Ansicht auf das Thema würde vielleicht eher mit der Lebensrealität der Leserschaft resonieren und so zum Handeln anregen. Natürlich ist es nicht verpflichtend für Literatur oder Schreibenden mit einer Botschaft an die Menschen zu appellieren. Geschichten dürfen und sollen sogar auch einfach nur der Unterhaltung dienen. Ich sehe jedoch dieses unausgeschöpfte Potential und denke, dass bei so einem Thema als Grundlage, mehr mach- und erwartbar ist. Gerade in Hinblick darauf, dass Banghart durchaus etwas vermittelt. Allerdings handelt es sich hierbei um einige fragwürdige und teils toxische Ansichten, die an die Zielgruppe von 14-17 Jährigen weitergegeben werden. Besonders problematisch finde ich die unterschwellige Botschaft Gleichberechtigung und Gerechtigkeit wären Dinge, die nur mit Waffengewalt erreicht werden könnten. Die ganze Dilogie über verdeutlicht Banghart, dass die Frauen erst etwas erreichen, wenn sie sich männlich gelesene Attribute (körperliche Stärke, Unnachgiebigkeit etc.) aneignen und bereit sind für ihre Ideale zu töten. Für Weiblichkeit ist kein Platz, wenn man an die Spitze will und dieses Stigma schmeckt besonders bitter. Ich dachte es wäre Banghart Ziel eine Geschichte zu präsentieren, die zu Frauensolidarität und Akzeptanz von sich und anderen inspiriert. Wieso müssen unsere Protagonistinnen ihre Weiblichkeit ablegen und sich toxischen männlichen Idealen hingeben, wenn es doch um die freie Auslebung von Weiblichkeit gehen soll? Ich bin so müde davon „starke Frauen“ in den Medien zu sehen für die man einfach das Skript mit männlichem Darsteller genommen hat und satt Mark Tara draufschreibt, die mit Waffen um sich schwingen und keine Schwäche zeigen dürfen. Wo sind die Heldinnen, die mitfühlend oder gewaltabgewandt sind und trotzdem in ihrem Feld an der Spitze stehen, einfach weil sie clever sind, kreativ, empathisch und ehrgeizig? (Falls ihr keine genaue Vorstellung habt auf was ich hier hinaus will empfehle ich wärmstens dieses Video: https://www.youtube.com/watch?v=fjNyeDlqgqE – v.a. die Conclusion bringt es auf den Punkt.) Ganz abgesehen davon, sollte man sich vielleicht auch fragen, ob die dauerhafte psychische und physische Misshandlung von Frauen die uns in Iron Flowers geboten wird der passende Stoff ist, um das Thema an 14-17 Jährige zu vermitteln. Vor allem im Hinblick darauf, dass die Begründung für diese Umstände in der früheren Herrschaft von Königinnen gesucht wird. Nette Idee, die eine einfache Erklärung bietet, aber das Ganze hat den Beigeschmack, die Schuld läge bei den Frauen selbst – schwierig.

5. Das Ende. !Achtung Spoiler! Der finale Nagel im Sarg und die Kelleretage meiner 5 Stages of Grief – Abwärtsspirale ist das Ende der Dilogie. Wie bereits angedeutet empfinde ich Serinas Position als Anführerin der verdeckten königlichen Leibgarde passend, aber das ist auch schon das einzig Gute was ich zum Abschluss des Buchs sagen kann. Zunächst war es mir von Anfang an suspekt, dass Asas Tod die allesumfassende Lösung sein soll. Den einen (wirklich langweilig eindimensionalen) Antagonisten aus dem Weg zu räumen erscheint mir einfach zu leicht, für ein so komplexes Problem wie die jahrhundertelange Unterdrückung der Frauen und tief den verwurzelten (Hetero-) Sexismus einer gesamten Nation. Immerhin geht Banghart auf dieses Problem ein und lässt die Protagonistinnen reflektieren, dass es allein mit Nomis Krönung nicht getan ist. Was mich zum eigentlichen Punkt bringt: Nomis Krönung. Schon im ersten Band zeichnete sich ein Ende, das eine der Schwestern oder sogar beide auf dem Thron vorsieht ab und es ist auch ein logisches Ergebnis der Ereignisse. Schließlich enden geglückte Revolutionen meist mit einem Herrschaftswechsel. Ob gerade Nomi für diese Position die beste Wahl ist, schneide ich gar nicht erst an. Was mich stört, ist weniger das Wer sondern das Wie. Denn die Revolution konnte nur erfolgreich sein, weil Malaki, der eigentliche Thronfolger, auf der Seite der Schwestern steht. Nach all den Aufopferungen und ihrem Kampf um Anerkennung sind die Rebellinnen nach wie vor Abhängig von der Gnade und dem guten Willen der Männer in Machtpositionen. Wieso degradiert Banghart ihre Protagonistinnen im Endspiel zu Nebendarstellern, den alles zu verlieren droht und die nur ans Ziel gelangen, weil ihnen der mächtigste Mann im Land die Karten zuspielt? Hätte Malaki der Revolution den Rücken gekehrt, wären die Frauen noch im Palast in den Händen der Soldaten gestorben. Das wird von Banghart sogar explizit beschrieben. Anstatt auf das aufzubauen, was die Frauen sich tatsächlich selbst erarbeitet haben – die Kontrolle über die Gefängnisinsel und eine Fluchtmöglichkeit ins Ausland, um dort ein Leben aufzubauen – schenkt sie ihnen ein Ende, dass nur durch Glück erreicht werden konnte. Wenn die Geschichte mit den Schwestern auf dem Thron enden soll, hätte das auch anders gelöst werden können. Das was der Leserschaft hier geboten wird ist einfach schlechte Schriftstellerei. Wenn die Autorin keine andere Möglichkeit sieht, ihre Protagonistinnen an die Macht zu bringen als über einen Love Interest, wie sollen wir als Lesende dann an die Stärke der Frauen glauben? Banghart untergräbt sich hier selbst und ich grabe mich erneut frustriert ein.

Dafür haben wir es endlich geschafft! Ich brauche nach dieser wirklich langen Review erstmal einen Tee und euch geht es sicher ähnlich. Hoffentlich konnte ich euch unter all der Kritik und meinem Frust über dieses Leseerlebnis trotzdem unterhalten. Vielleicht könnt ihr mit manchen meiner Anmerkungen nicht übereinstimmen, vielleicht auch mit allem und das ist vollkommen ok. Wer Iron Flowers gern liest, soll das auch weiterhin mit Freude tun! Lasst euch von einer salty Review wie dieser nicht die Dinge verderben, die ihr liebt. Ich will euch nur dazu aufmuntern, bei dem was ihr an Medien konsumiert, ein wenig genauer hinzusehen und Dinge auch mal zu hinterfragen, besonders wenn sie wie hier auf politische Themen aufbauen.

Ich wünsche euch eine schöne Zeit und Freude bei dem, was auch immer ihr jetzt als Nächstes macht!

Bleibt gesund und trinkt Tee,

eure Selma ❤

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: