Midnight Mass – Christ*innen, Vampire und eine Philosophie des Sterbens

Liebe Menschen,

ich habe vor kurzem eine Serie gesehen und viele Gedanken dazu. Deshalb seid nun herzlich Willkommen zu diesem ersten Blog-Post der Kategorie Unter der Lupe! Dementsprechend wird das ganze hier weniger den Charakter einer Rezension haben, meine Meinung wird mit Sicherheit aber trotzdem deutlich. Außerdem ist natürlich die ganze Betrachtung letztlich sehr von meiner persönlichen Perspektive beeinflusst, da ich hier eher meine ganzen Gedanken dazu loswerde, als wissenschaftlich zu analysieren. Ich habe die Serie in der Originalsprache Englisch gesehen, weswegen ich auch auf Englisch zitieren werde. Achtung: Ich empfehle, die Serie erst zu schauen, bevor ihr diesen Beitrag lest, da ich einige Zusammenhänge spoilern muss, um auf meine Gedanken einzugehen. Oder euch stört es nicht – wie mich bei den meisten Serien und Filmen übrigens auch nicht – die Highlights und Zusammenhänge zu kennen, bevor ihr reinschaut, dann natürlich keine Scheu: go ahead and get thrilled! Jetzt aber zum eigentlichen Thema: Meine Gedanken zu Midnight Mass.

You ever think maybe that’s the
miracle? That’s where I see it.
God’s not loud. He’s quiet. The
miracle isn’t a rainbow in the sky,
though people thought it was, once
upon a time. No, the miracle’s in
how our eyes can see it at all.

Erin in Midnight Mass – Eps. 3 – „Proverbs“

Worum geht es?

Midnight Mass (engl. für „Mitternachtsmesse“) ist eine sieben Folgen lange Miniserie des Horror-Genres. Mike Flanagan hat sowohl das Drehbuch geschrieben als auch Regie geführt, im September 2021 wurde die Serie dann bei Netflix veröffentlicht. Für ein Gefühl, verlinke ich euch hier einmal den originalen Teaser und den deutschen Trailer, letzteren findet ihr auch problemlos in Originalsprache bei YouTube.

Hier einmal der originale Netflix-Teaser.
Und für all diejenigen unter euch, die eher Deutsch als Englisch verstehen, hier einmal der deutsche Trailer.

Die Serie spielt auf der fiktiven, kleinen Insel Crockett Island. Die Menschen dort leben hauptsächlich vom Fischfang (der wegen eines Öllecks eher schlecht als recht läuft) und sind sehr katholisch geprägt. Wobei man im Verlauf der Handlung spürt, dass auch auf dieser kleinen Insel die Menschen früher häufiger zu Gottesdiensten gingen und die Religion im Alltag eigentlich keine so große Rolle mehr spielt. Seinen Glauben verloren hat auch Riley Flynn, eine der Hauptpersonen. Er kommt zu Beginn der Handlung gerade aus dem Gefängnis wieder, weil er durch betrunkenes Autofahren ein junges Mädchen umgebracht hat. Die zweite wichtige Figur ist der Priester Father Paul. Er kommt nahezu gleichzeitig mit Rileys Rückkehr auf die Insel, angeblich um Monsignor Pruitt (der einzige Priester, den die Gemeinde seit Jahrzehnten kennt) zu vertreten, der sich nach einer Reise nach Israel auf dem Festland erholt.

Dann fangen die seltsamen Geschehnisse an: Massenhaft tote Katzen am Strand, aus dem Mutterleib verschwindende Föten und Gestalten, die mitten in der Nacht in einem dunklen Sturm draußen herum laufen und Monsignor Pruitt zum Verwechseln ähnlich sehen. Außerdem wird die Gemeinde Zeuge diverser ‚Wunder‘. So kann die querschnittsgelähmte Schülerin Leeza plötzlich wieder laufen und die an Demenz erkrankte, sehr alte und gebrechliche Mildred wird nach und nach wieder fit und gleicht zunehmend ihrem 25-jährigen Selbst.

Hinzu kommt, dass der Sheriff Hassan und sein Sohn Ali die einzigen Muslime auf der Insel sind, wodurch auch die Thematisierung von Islamfeindlichkeit einen Platz in der Serie findet. Durch den Character, den ich persönlich am wenigsten mag,  Beverly – eine überfromme, ziemlich anstrengende und selbstgefällige Lektorin – kommt es da besonders zu Spannungen. Bevor ich auf die einzelnen Stellen eingehe nur noch ein paar Worte zu Erin: Erin spielt keine besonders wichtige Rolle für die Ausgangslage der Handlung, aber für gute Monologe und die emotionale Tiefe der Serie. Sie steht Riley sehr nahe und im Gegensatz zu ihm, ist sie tief im Glauben verwurzelt. Sie ist eine junge Lehrerin, zu Beginn von Midnight Mass schwanger und die mir persönlich sympathischste aller Figuren.

Welche Aspekte ich besonders interessant finde und warum

1. Was passiert, wenn wir sterben (Riley)

Ein wesentlicher Grund, warum mich Midnight Mass so fasziniert, ist, dass ich mich im letzten Jahr so intensiv mit meinem Glauben auseinander gesetzt habe, wie nie zuvor. In einem der Beiträge aus dem Februar 2022 schrieb ich Folgendes: „Ich glaube und finde auch viele Überschneidungen mit christlichem Glauben, wenn auch nicht genug, um ihn zu bekennen.“ Und ich finde, das trifft es immer noch ziemlich gut. Ich wurde atheistisch sozialisiert und fühle mich dadurch auch nach wie vor wohler mit naturwissenschaftlichen Erklärungen. Unter anderem deshalb finde ich folgenden Monolog von Riley sehr interessant. Er wurde als Katholik erzogen und hat im Gefängnis im wesentlichen durch die Theodizee-Frage1 seinen Glauben verloren (also in etwa das Gegenteil zu meiner Geschichte). Kurz vor dem untenstehenden Monolog sagt er auch explizit, dass er Religion und die Gebete durchaus verstehe und religiöse Menschen nicht für dumm oder naiv halte, weil er eben weiß, wie wichtig der Trost und die Sicherheit sind, die Religion auf unbeantwortbare Fragen geben kann. Sie bietet nur lediglich ihm keinen Sinn und Trost mehr. Das ist ein Aspekt an Rileys Charakter, den ich sehr sympathisch und nahbar finde. Er spricht nur für sich selbst, seine eigene Wirklichkeitswahrnehmung und lässt andere über ihre sprechen. Mit der Aussage „I don’t know. And I don’t trust anyone who tells us they do, but… I can speak for myself“ – er vertraue niemandem, der behauptet zu wissen, was passiert wenn man stirbt, aber er könne zumindest für sich selbst sprechen – nimmt er Religion, bzw. jeder Weltanschauung, einen wesentlichen Grundstein für Fundamentalismus und Radikalisierung, ohne ihr die Daseinsberechtigung abzusprechen.

Erin: What happens when we die, Riley?
Riley: I don’t know. And I don’t trust anyone who tells us they do, but… I can speak for myself, I guess.
Erin: Then speak for yourself. What happens when you die?
Riley: When I die my body stops functioning. Shut down. All at once, or gradually, my breathing stops, my heart stops beating. Clinical death. And a bit later, like, five whole minutes later… my brain cells start dying. But in the meantime, in between… maybe my brain releases a flood of DMT. It’s the psychedelic drug released when we dream, so… I dream.
I dream bigger than I have ever dreamed before, because it’s all of it. Just the last dump of DMT all at once. And my neurons are firing and I’m seeing this firework display of memories and imagination. And I am just… tripping. I mean, really tripping balls because my mind’s rifling through the memories. You know, long and short-term, and the dreams mix with the memories, and… it’s a curtain call.
The dream to end all dreams. One last great dream as my mind empties the fuckin‘ missile silos and then… I stop. My brain activity ceases and there is nothing left of me. No pain. No memory, no awareness that I ever was, no… That I ever hurt someone. That I ever killed someone.
Everything is as it was before me. And the electricity disperses from my brain till it’s just dead tissue. Meat. Oblivion. And all of the other little things that make me up, they… The microbes and bacterium and the billion other little things that live on my eyelashes and in my hair and in my mouth and on my skin and in my gut and everywhere else, they just keep on living. And eating. And I’m serving a purpose.
I’m feeding life. And I’m broken apart, and all the littlest pieces of me are just recycled, and I’m billion of other places. And my atoms are in plants and bugs and animals, and I am like the stars that are in the sky. There one moment and then just scattered across the goddamn cosmos.

Midnight Mass – Eps. 4 – „Book IV: Lamentations“

Riley erklärt den Prozess seines Sterbens naturwissenschaftlich. Abgesehen von einem Satz, „The dream to end all dreams.“ (Der Traum, um alle Träume zu beenden.), ist dieser Monolog kaum poetisch oder besonders philosophisch. Er geht einfach davon aus, dass es für ihn dann so sein wird, wie in der Zeit bevor er geboren wurde. Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, hat diese Betrachtungsweise etwas sehr tröstliches. Zum einen ist die Aussicht, am Ende durch die immensen Mengen an Hormonen kaum oder keine Schmerzen mehr zu spüren und stattdessen tatsächlich noch mal „das Leben an einem vorbei ziehen zu sehen“, wie man oft so schön sagt, im wesentlichen zu träumen, bis man in den ewigen bewusstlosen Schlaf driftet, so beruhigend, wie die Naturwissenschaft in dem Belang eben sein kann. Zum Andern gibt er dem Leben im Sterben aber trotzdem einen übergeordneten, fast absoluten Sinn: „And I’m serving a purpose. I’m feeding life.“ (Und ich diene einem Sinn. Ich ernähre Leben.) Diese Aussage löste bei mir eine starke „König der Löwen“-Assoziation aus. Dicht gefolgt von der Frage, was mit den Körpern ist, die verbrannt werden und nicht verwesen. Ich glaube hier kommen sich die Tatsachen, dass es vermutlich tatsächlich keinen objektiven, übergeordneten Sinn des Lebens gibt, dass wir alle einfach existieren, leben und irgendwann sterben, und, dass es immer ein vor-uns und nach-uns geben wird, schon immer gab, dass alles ein Kreislauf der Energie und Materie ist, dass auch der Mensch nur eine Form des Lebens neben Milliarden anderen ist, so nahe, wie es nur irgendwie geht. Wir entstanden aus Sternenstaub und werden wieder zu Sternenstaub (Asche zu Asche, Staub zu Staub und so; ich weiß, der Kontext passt nicht ganz, aber genug, um für die persönliche Assoziation zu reichen) und auf unserem Weg sind wir kurz am Leben, haben kurz ein Bewusstsein. Wir sind ein kleiner Bestandteil in einem unendlich großen Kreislauf und im Grunde völlig unbedeutend. Dass wir sterben gehört einfach dazu, wie auch unsere Geburt. Nichts besonderes, nur das Aufgeben des Bewusstseins, eine Erlösung von quälenden Gedanken in Rileys Fall.

Dabei fällt auch interessanterweise auf, dass Naturwissenschaft und Rationalität durchaus gut als Religionsersatz dienen können. Riley spricht schließlich letztlich doch noch einmal davon, einen Sinn zu erfüllen. Nur ist dieser nicht moralisch an das Verhalten und/oder an die Gnade Gottes gebunden. Gleich ist aber trotzdem, dass der Sinn erst nach dem Tod erfüllt wird, so wie meines Wissens nach auch das christliche Narrativ die Zeit auf der Erde, also das Leben, als notwendiges Übel auf dem Weg zur Ewigkeit, also zum eigentlichen Sinn, betrachtet. Dadurch wird erneut deutlich, dass sowohl die atheistische, als auch die religiöse Perspektive keinen objektiven, übergeordneten Sinn im Leben bieten. Religiös kann man (soweit ich weiß) im Leben darauf hin arbeiten, die Gnade Gottes am Ende „leichter“ zu erhalten, da Gott aber alle Menschen liebt und das Prinzip der Hölle wohl ziemlich vereinfacht und etwas aus der Zeit gefallen ist (sagte man mir mal), bietet Religion im Endeffekt auch eher einen moralischen Kompass als einen Sinn im Leben.
(Bedenkt: Soweit ich Religion wahrnehme und mir bestimmte Dinge erklärt wurden, ich bewege mich mit den Gedanken und Aussagen gerade auf vergleichsweise ziemlich dünnen Eis und: Mein Bild und Wissen dazu ist im Moment sehr katholisch geprägt, was ganz gut zu Midnight Mass passt, aber nicht verallgemeinert werden sollte, da ich schlicht nicht genug Wissen zu den anderen Konfessionen und Religionen habe.)

2. Was passiert, wenn geliebte Menschen Sterben (Erin über ihre Tochter)

Erin ist in dem Sinne der Gegensatz zu Riley, als dass sie sich zum katholischen Glauben bekennt. In der Folgenden Szene wird das sehr gut deutlich, weil sie über ihr Kind spricht, das sie bis vor wenigen Stunden noch in ihrem Unterleib getragen hat. (Das Gespräch mit Riley findet an dem Abend statt, an dessen Morgen der Ultraschall plötzlich keinen Fötus mehr im Uterus gezeigt hat.) In diesem Monolog erklärt Erin, was Gott und der Himmel für sie sind: „You are loved. And you aren’t alone. That is God. That is Heaven.“ Du wirst geliebt. Und du bist nicht allein. Das ist Gott. Dass ist der Himmel.

Riley: What happens when you die?
Erin: Speaking for myself?
Riley: Speaking for yourself.
Erin: No. Not for myself. I’m not the one that died today.
She was never awake. When she came down into this little body, this just-forming little body, it was asleep. So all she ever knew was dreaming. She only ever dreamed. She didn’t even have a name. And then in her sleep, that perfect little spirit just lifted up.
Because God didn’t send her to suffer through life on Earth. No.
This one? This special little soul…
God just sent her down here to sleep. Just a little nap. A quick dream. And then He called her back. He wanted her back.
And so she went back. Same as she floated down, she rose up above the Earth. Past all the souls in the atmosphere and all the stars in the sky and then into a light so bright. And then, for the first time… She starts to wake up. She’s wrapped in a feeling of love. Just pure, amazing love. Of course she is. She’s pure.
She has never sinned. She never hurt a single living thing, not even an ant. And she’s not alone. She’s home.
There are people there, she doesn’t know it, but they’re her family. Her grandfather and her great-grandfather, and they love her. And they name her. And then when God reaches down and kisses her head, and the second He says her name, she grows up.
In a blink. And she’s perfect. Her body as it would have been on her best day on Earth. Her perfect age. The peak of herself.
And they tell her about her mom down here on Earth, and how I’ll be there soon enough. And she’s happy. And nothing but joy for all eternity. And she’s loved. And she isn’t alone.
And that’s what we mean when we say Heaven.
No mansions, no rivers of diamonds, or fluffy clouds or angel wings. You are loved. And you aren’t alone. That is God. That is Heaven. That’s why we endure all that we endure on this…
Big, blue, sad rock. I’ll be there soon enough. And I’ll see my father.
And my grandmother. And I’ll see my little girl, and she will be happy and safe. And I will be so glad to meet her.
Riley: I really hope you’re right.

Midnight Mass – Eps. 4 – „Book IV: Lamentations“

Bei diesem Monolog sind mir folgende Dinge aufgefallen: Hier wird sehr gut deutlich, dass Gott sehr oft – eigentlich immer – eher als ein Zustand und als das Unvorstellbare betrachtet und gemeint wird, aber trotzdem durch Personifizierungen und Vermenschlichung in Worte zu fassen versucht wird und ich frage mich, ob vielleicht schon das allein einen wesentlichen Bestandteil des Trostes ausmacht; Dass wir uns das Unvorstellbare, das Heilige doch irgendwie vorstellen, beruhigt uns, denke ich. Außerdem ist die Szene besonders im Vergleich zu Erins Schilderung ihres eigenen Todes sehr spannend. Denn dann fällt auf, dass sie hier viel mehr der religiös typischen Narrative nutzt, um sich selbst Trost zu spenden, statt die erlebten Tatsachen wiederzugeben, wie sie es bei ihrem eigenen Tod macht. Das wiederum zeigt, dass die Trauerkultur und Sterbephilosophie den Hinterbliebenen mehr zum Trost entstanden ist als tatsächlich aus der Frage heraus, was passiert, wenn Menschen sterben. Denn wenn wir uns aus der Perspektive der Lebenden mit dieser Frage beschäftigen, können wir ohne weiteres erst mal nur zu der Antwort kommen, dass wir es nicht wissen. Wir wissen nicht mehr als Riley über seinen Tod sagt, was wiederum bedeutet, dass wir uns als Lebende damit abfinden müssten, dass die Toten wieder an dem Punkt des Bewusstseins sind, wie vor der Geburt. Für sie macht es dann vielleicht keinen Unterschied, aber für die Lebenden, die Hinterbliebenen, ist der Unterschied von wissen (nach dem Tod der Person) und nicht wissen (vor der Geburt der Person), zerstörerisch. Außerdem fällt bei dieser Szene auf, dass vom Peak ihrer selbst gesprochen wird, was im Zusammenhang mit der Vampirdarstellung durch die Glaubensgemeinschaft in der Serie zu einem interessanten Detail wird.

Unbemerkt bleiben darf meiner Meinung nach auch folgendes nicht: Ich finde die Art und Weise, wie hier mit dem Verlust eines ungeborenen Kindes umgegangen wird, also die Betrachtungsweise deren Lebens, unglaublich gelungen. Midnight Mass bringt hier ein wirklich schönes Beispiel für einen tröstlichen Umgang mit dem Verlust von Ungeborenen, ohne stark zu beschönigen. Wobei dazugesagt sei, dass das natürlich meine Wahrnehmung als eine Person ist, die zum Glück noch nie ein Kind verloren hat.

3. Was passiert wenn wir sterben (Erin)

Es spricht einiges dafür, Erin als die gemäßigte Position zwischen den Extremen des Atheismus (sichtbar in Rileys Charakter) und des fundamentalistischen Katholizismus (sichtbar in den Gesprächen durch Father Paul/ Monsignor Pruitt und in den radikalen Handlungen auch durch Beverly) zu betrachten. Der untenstehend zitierte Monolog ist einer der schönsten, die ich bisher in Serien gesehen habe und auch einer, mit dem ich mich sehr gut identifizieren kann. Denn in diesem letzten Monolog wird das Sterben naturwissenschaftlich beschrieben, ohne die Spiritualität des Lebens zu verlieren.

Riley: So what do you think happens when we die, Erin?
Erin: Speaking for myself?

Riley: Speaking for yourself.
Erin: Myself. My self. That’s the problem. That’s the whole problem with the whole thing. That word, „self.“ That’s not the word. That’s not right, that isn’t… That isn’t. How did I forget that? When did I forget that?
The body stops a cell at a time, but the brain keeps firing those neurons. Little lightning bolts, like fireworks inside, and I thought I’d despair or feel afraid, but I don’t feel any of that. None of it. Because I’m too busy. I’m too busy in this moment. Remembering. Of course. I remember that every atom in my body was forged in a star. This matter, this body is mostly just empty space after all, and solid matter? It’s just energy vibrating very slowly and there is no me. There never was. The electrons of my body mingle and dance with the electrons of the ground below me and the air I’m no longer breathing. And I remember there is no point where any of that ends and I begin. I remember I am energy. Not memory. Not self. My name, my personality, my choices, all came after me. I was before them and I will be after, and everything else is pictures, picked up along the way. Fleeting little dreamlets printed on the tissue of my dying brain. And I am the lightning that jumps between. I am the energy firing the neurons, and I’m returning. Just by remembering, I’m returning home. And it’s like a drop of water falling back into the ocean, of which it’s always been a part. All things… a part. All of us… a part. You, me and my little girl, and my mother and my father, everyone who’s ever been, every plant, every animal, every atom, every star, every galaxy, all of it. More galaxies in the universe than grains of sand on the beach.
And that’s what we’re talking about when we say „God.“ The one. The cosmos and its infinite dreams. We are the cosmos dreaming of itself. It’s simply a dream that I think is my life, every time. But I’ll forget this. I always do. I always forget my dreams.
But now, in this split-second, in the moment I remember, the instant I remember, I comprehend everything at once. There is no time. There is no death. Life is a dream. It’s a wish. Made again and again and again and again and again and again and on into eternity. And I am all of it. I am everything. I am all. I am that I am.

Midnight Mass – Eps. 7 – „Book VII: Revelation“

Dieser Monolog macht mich jedes Mal aufs neue sprachlos. Sprachlos, weil auf so poetische Weise genau das auf den Punkt gebracht wird, was ich im Glauben sehe: Wir sind alle Teil eines Ganzen, das wir wohl nie verstehen oder uns auch nur im Ansatz vollständig vorstellen können. Wir sind Sternenstaub, der zum Leben fand, der uns ein Bewusstsein gab und wir werden irgendwann wieder Sternenstaub sein, der wiederum neues Leben bedingt. Wir bestehen aus Elektronen, Atomen, Energie, die uns das Gefühl von Selbst geben, um in einer Gesellschaft zu funktionieren, um das Leben so geordnet zu halten, dass wir damit umgehen können.

Wir wissen naturwissenschaftlich mittlerweile, dass Entscheidungen im Gehirn einige Millisekunden getroffen werden, bevor sie bewusst wahrgenommen werden. Ich finde diesen Gedanken extrem faszinierend, denn klar könnte man es sich leicht machen und einfach sagen, nun gut, letztlich ist es ja aber trotzdem unser Gehirn, wir also, die eine Entscheidung treffen. Aber letztlich zeigt es doch auch nur, dass wir im Backend unseres selbst auch wieder nur Moleküle sind, die auf unglaublich viele Faktoren und Gegebenheiten reagieren, Elektronen, die sich erst entscheiden müssen, welche Form sie haben, wenn sie beobachtet werden.

Vor einigen Jahren stand ich mal in einem Supermarkt und blätterte durch eine Wissenszeitschrift. Gekauft habe ich sie leider nicht und bereue es noch immer, denn der Hauptartikel beschäftigte sich mit der Frage, ob das, was wir als Seele bezeichnen, möglicherweise in Quanten um uns herum, statt in einem Teil des Gehirns, lokalisiert ist. Ich habe nur in den Artikel rein gelesen, aber der Gedanke hat mich seit dem nicht mehr losgelassen. Falls das hier irgendjemand liest, der*die von Vorträgen und/oder Forschungsarbeiten zu diesem Thema weiß, die zugänglich für Laien wie mich sind, sagt gern Bescheid.

Gut, zurück zum Monolog: Wie gesagt, ich bin bei jedem Lesen und jedem Anschauen ziemlich sprachlos. Vermutlich wäre ich genau deshalb eine ziemlich miserable Literaturwissenschaftlerin, denn wenn mir Texte unterkommen, die mich so sehr berühren, dass ich mich für einige Zeit am liebsten nur noch damit beschäftigen würde, dann berühren sie mich meist auf einer rational nur sehr schwer beschreibbaren Art und Weise. Deshalb zu dieser Szene zunächst nur noch eine Anmerkung: Ein wesentlicher Grund, warum ich so fasziniert von diesem Stück Text bin, ist, dass die Wirkung der Sprache mit genutzt und mit bedacht wird. Es wird sehr viel Wert auf das sprachliche auseinander nehmen von Zusammenhängen wie dem „Selbst“ oder dem „einen großen Ganzen“ gelegt. Wenn ich die Wahl für letzte Worte bewusst treffen könnte und mir Text gut und akkurat merken könnte, würde ich (aus aktueller Perspektive) aus diesem Monolog zitieren.

4. Was passiert wen Katholik*innen plötzlich zu Vampiren werden und dadurch glauben, dass sei eigentlich das gute und ewige Leben, das Gott für die Menschen wollte

Zu diesem Teil des Blog-Artikels habe ich bei Twitter ein Meme gefunden:

Mir ist bewusst, dass bei diesem Meme eigentlich immer ein Smoothie zur Sprache kommt, aber da ich trotzdem lachen musste und es so einfach passt, habe ich guten Gewissens über diesen Fehler hinwegsehen können. Es bringt einfach perfekt auf den Punkt, wie der Priester bis zum Schluss glaubt, das Monster, das den Beschreibungen, die wir aus typischen Vampirgeschichten kennen, fast exakt entspricht, sei ein gottgesandter Engel. So an sich ist das anfangs auch nicht unbedingt abwegig. Das Wesen rettet den alten Monsignor davor, bei seiner Reise in das heilige Land in einer Höhle in Mitten eines Sandsturmes zu sterben. Danach findet er sich im Zustand seines körperlichen Höhepunktes („The peak of himself“, kommt irgendwie bekannt vor oder?) wieder und das Blut hält nicht nur ihn beim Zustand seines körperlichen Optimums, sondern er kann beobachten, wie auch die Gemeinde, die zu jeder Eucharistiefeier das Vampirblut trinkt, körperlich fitter und jünger wird. Inklusive des „Wunders“, dass Leeza wieder laufen kann, nachdem sie lang genug das Blut getrunken hat. Auffällig hierbei ist aber auch, dass Father Paul die einzige (für die Zuschauenden ersichtliche) negative Nebenwirkung, nicht mitbekommt. Denn diese sieht man im Verlust von Erins Baby. Wenn man sich also das Narrativ anschaut, das Erin in ihrem Monolog über den Tod ebendieser verlorenen Tochter ebenfalls bedient – die Sprechweise vom „Peak“ der (menschlichen) Existenz – dann ist es nur logisch, dass die Verwandlung die das Blut bewirkte als „gottgewollt“ und perfekt zu den biblischen Erzählungen von der Ewigkeit passten. Davon mal abgesehen könnte man auch argumentieren, dass auch die Existenz des Vampires als etwas „schlechtes“, „böses“ und „unmoralisches“ gottgewollt ist, wenn man Gott als den Schöpfer der Welt mit all ihren Bestandteilen sieht. Also stimmt das, was Father Paul predigt, auf jeden Fall zumindest in diesem Teil – bzw. entspricht den Glaubensgrundsätzen der Gemeinde – wenn Gott einen Plan hat, dann dieser, denn sonst würde er ja nicht so eintreten. Oder lasse ich den Menschen mit dieser Interpretation zu wenig Raum für eine individuelle Freiheit, auch für Entscheidungen?

Bei diesem Teil meines Textes will ich außerdem noch folgenden kleinen Querverweis ziehen, weil bei mir die Assoziation fast sofort da war: Wenn ihr schon mal dabei seid, bei Netflix Midnight Mass zu schauen, lohnt sich vielleicht auch ein Blick auf First Kill. In dieser kleinen, wirklich süßen, wenn auch das CGI betreffend nicht besonders hochwertigen Serie, geht es unter anderem auch um Vampire und auch hier gibt es einen Bezug auf die Bibel: In First Kill wird Lilith als die Mutter aller Vampire, besonders der Legacy-Linie, also der vampirgeborenen und direkt von ihr abstammenden Vampire, verehrt. Sie sei diejenige gewesen, die Adam zurückgewiesen und Eva zum Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis verführt habe. Ein kurzes reinlesen in die ersten Seiten der Bibel, also der Schöpfungsgeschichte, lassen viele Fragezeichen offen, da Lilith dort nicht erwähnt wird. Aber ein geschwinder Blick in das WiBiLex (wissenschaftliches Bibellexikon der Deutschen Bibelgesellschaft) zeigt, dass Lilith auch nur an einer Stelle erwähnt wird und das nicht in der Schöpfungsgeschichte, sondern im Buch Jesaja, Kapitel 34,14. Dort wird sie als eine der Kreaturen genannt, durch die die Ruinen Edoms unbewohnbar werden, also auch als ein eindeutig “schlechtes” und gefährliches Wesen. Andererseits sind auch Engel in ihrer ursprünglichen Schilderung alles andere als vertrauenserweckend. Soweit ich weiß, wurden Engel als Wesen mit sehr vielen Augen beschrieben und die Aussage “Fürchtet euch nicht”, war wohl darauf bezogen, dass sich die Menschen nicht vor den Engeln fürchten sollten (aber Achtung, an der Stelle ist das wieder starkes Halbwissen, weil ich das ganze eben nicht studiert oder anderweitig gelernt habe, wenn ihr mehr Wissen dazu habt und das gern Teilen wollt: the comments are yours, gerade bei dem Thema freu ich mich ungemein, dazu zu lernen). Letzteres würde also durchaus gut zu der furchteinflößenden Gestalt des “Engels”/”Vampirs” in Midnight Mass passen und alttestamentalisch ist vielleicht auch gar nicht so abwägig, dass eine Vielzahl an Menschen sterben muss. Aber da auch in Midnight Mass der Vampir und “das Böse”, zum Töten verleitende und alle in Versuchung geführten Menschen das zeitliche segnen, würde ich hier eher für die Darstellung eines moralisch verwerflich handelnden Vampir argumentieren als für eine alte Engeldarstellung.

Also, was passiert, wenn Katholik*innen zu Vampiren werden und glauben, dass sei der anzustrebende, gute Weg? Zumindest im Fall von Midnight Mass führt das Ganze zu einer sehr schnellen Radikalisierung, weil die Betroffenen das Gefühl bekommen, den Weg zur Offenbarung, bzw. zum ewigen Leben, gefunden zu haben. Dadurch wird der Drang, auch alle anderen „auf diesen Weg zu führen“ natürlich stärker. Letztlich führt es also zu einem sehr großen, sehr unschönen Blutbad und der Tatsache, dass auch Vampire am Ende einer Serie alle sterben können und traurigerweise dabei auch Unschuldige mit in den Tod ziehen. Ich persönlich finde diese Frage eine sehr gelungene Metapher für das Konzept der Radikalisierung. Die absolute Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Weltsicht und der Drang, alle anderen ebenfalls davon zu überzeugen (sie also auch in Vampire zu verwandeln), nicht damit leben zu können, dass andere Menschen mit ihrer Meinung und Weltsicht vielleicht auch richtig liegen und glücklich sein könnten und sie dafür zu hassen (sh. Beverly) und letztlich auch über Leichen zu gehen, um die eigenen Prinzipien durchzusetzen. All das beschreibt für mich fundamentalistische Radikalisierung ziemlich treffend und soweit ich die Thematik aus Interviews mit Mike Flanagan verstanden habe, war auch eine der Intentionen hinter dieser Serie genau diese Kritik an der fundamentalistischen Radikalisierung, wie sie besonders bei Christ*innen in den USA wahrnehmbar ist. Wenn man sich das Ende der Serie ansieht, bleibt noch folgender abschließender Gedanke zu dieser Thematik zu sagen: „Und führe uns nicht in Versuchung und erlöse uns von all dem Leid.“ so heißt es im Vater Unser. Letztlich wurden alle vom Leid erlöst, aber auch alle in Versuchung geführt, zu töten und zu verletzen. Nur Wenige konnten dieser widerstehen und dabei stellt sich doch die Frage, ob sich die eigentliche moralische Größe nicht statt im Gebet und der Frömmigkeit viel eher darin zeigt, der Versuchung zu widerstehen, wenn man zu ihr geführt wurde. Oder?

“We can’t help but be attracted to the idea that death isn’t the end for us, and that we’re going to see the people we’ve lost again. That idea is one of the things that interested me in horror in the first place, and is as much behind our religions as it is behind our horror fiction.”

Mike Flanagan in „Mike Flanagan Explores His Private Horrors in ‘Midnight Mass’“ by Darryn King in The New York Times, 24.09.2021

Wem würde ich die Serie empfehlen?

Bei diesem Punkt ist es sehr wichtig zu erwähnen, dass Midnight Mass dem Horror-Genre zuzuordnen ist. Wenn ihr euch nicht gern gruselt oder von blutigen, gewaltvollen und beängstigenden Szenen Alpträume bekommt (oder euch generell unwohl fühlt), ist diese Serie vielleicht wirklich nichts für euch. Ich persönlich schaue Filme und Serien dieses Genres eigentlich auch nicht gern, weil ich ziemlich leicht zu erschrecken bin und auch tatsächlich Angst bekomme, wenn mit Elementen gespielt wird, vor denen ich auch bei Tageslicht Angst habe. Doch Midnight Mass zu sehen, habe ich sehr genossen, weil nicht versucht wurde, die Serie nur durch den Horror-Aspekt interessant zu machen. Midnight Mass würde ich allen empfehlen, die es lieben, nicht nur von gruseligen Szenen eine Gänsehaut zu bekommen, sondern auch von den Monologen und deren Dramaturgie. 

Außerdem geht es nicht nur um’s Sterben und die individuelle Auseinandersetzung mit Glaubensfragen, sondern auch um Politik. Neben Islamfeindlichkeit (und deren Entwicklung nach 9/11; wobei die ganze Thematik es verdient hätte, noch mehr in den Fokus gerückt zu werden) zeigt die Serie auch sehr gut, wie leicht Menschen sich radikalisieren lassen, wenn man ihnen glaubhaft verkauft, sie seien Teil einer Armee Gottes. Wenn ihr diese Mischung spannend findet und gern länger über Gesehenes nachdenkt als nur bis zum Intro der nächsten Netflix-Serie, kann ich euch Midnight Mass sehr empfehlen. Außerdem muss man sich nicht erst durch 14 Staffeln kämpfen, wodurch die sieben Folgen zu je ca. einer Stunde perfekt geeignet sind, wenn ihr es lieber kurz und knackig mögt, aber mehr Tiefe wollt als ein Film bieten könnte. Diesen Moment der expliziten Meinung möchte ich außerdem kurz nutzen, um zu betonen, dass ich die Serie trotzdem nicht ausschließlich gut fand. Es gibt durchaus ein paar Kleinigkeiten, die meiner Meinung nach anders gelöst hätten werden müssen, aber da es darum hier ja gerade nicht geht, das nur als Randbemerkung, da ich Midnight Mass alles in allem trotzdem sehr mochte.

Gut das wär’s erst mal von mir, stay safe, trinkt genug und bis zum nächsten Mal,
Alyrène

PS: Falls ihr Fragen, weitere Ideen und Anregungen habt oder mich schlicht in meinem Newbie-Katholizismus-Wissen korrigieren wollt, scheut euch nicht, einen Kommentar oder eine Mail zu schreiben, ich freue mich über mehr Denkanstöße :).


1 Die Theodizee-Frage ist im wesentlichen die Frage, wie Gott allmächtig sein und trotzdem Leid zulassen kann, da das ganze aber etwas komplizierter ist und ich nicht Theologie studiert habe, googelt einfach selbst mal, dann wisst ihr wahrscheinlich schneller und besser Bescheid ;))

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