Der Synodale Weg ging in die vierte Runde

Bildrechte: Synodaler Weg / Maximilian von Lachner

Es ist nun auf die Uhrzeit genau eine Woche her, dass ich beschlossen habe, diesen Blogbeitrag zu schreiben. Ich habe selten einen so starken und gleichzeitig so geringen Drang verspürt, über ein Thema bzw. ein bestimmtes Ereignis zu schreiben, wie es dieses Mal nach der vierten Synodalversammlung der Fall ist. Es ist viel passiert, es gibt noch mehr zu diskutieren und da ich die Sitzungen dieses Mal noch lückenloser vor Ort verfolgen konnte als das letzte Mal, werde ich es mir noch weniger nehmen lassen, über meine Perspektive zu schreiben. Da ich in der letzten Woche bereits an einigen Stellen von den Ereignissen berichtet und mich mit meinem Bekanntenkreis ausgetauscht habe, setzt so langsam auch eine Themen-Müdigkeit ein, weshalb ich dieses Mal nicht so ausschweifen werde wie nach der dritten Vollversammlung. Außerdem lassen mich im Moment sowohl mein Kalender als auch meine ToDo-Liste sehr wünschen, dass mein Tag 72 statt 24 Stunden hätte. Deshalb werde ich den Text kurz halten, die Diskussionspunkte nur anschneiden und meine persönliche Meinung und Wahrnehmung schildern. Das Ganze dann einzuschätzen, liegt bei euch.


Da ich dieses Mal für meine Verhältnisse sehr intensiv getwittert habe und natürlich auch vor Ort schon ein paar Gedanken in Textform gebracht habe, werde ich in diesem ersten Teil des Posts das, was passiert ist, mit Hilfe dieser Tweets und Gedanken zusammenfassen. Wie gesagt, natürlich aus der ziemlich individuellen Perspektive einer queeren, nicht katholischen, aber an katholischer Kirchenpolitik interessierten Helfenden heraus.

Hier sieht man, wie die 2/3-Mehrheit an 3 Stimmen scheitert und wenn man genau hinschaut auch mich, wie ich das ganze noch nicht ganz realisiere.
Bildrechte: Synodaler Weg / Maximilian von Lachner
Kurz nachdem der Grundtext zu einer veränderten Sexualethik (in welchem sich beispielsweise auch gegen Diskriminierung auf Grund der sexuellen Identität ausgesprochen wurde) an der 2/3 Mehrheit der Bischöfe scheiterte, ich meinen Schock-Moment der Nicht-Realisation dessen, was da eben passiert war, überwunden hatte, war das der Start meiner Tweets zur #SV4
Die Tweets, die ich hier verlinke und die nicht von mir geschrieben sind, sind Retweets.

Einschub dessen, was ich am Abend des ersten Sitzungstages geschrieben habe:

Es ist 22:50 Uhr, ich sitze in meinem Hotelzimmer, sehe die Lichter der Großstadt am Main. Es ist keine 5 Minuten her, dass ich aus dem Kongresszentrum herausgetreten bin und den Duft des Herbstlaubes und der Nacht eingesogen habe mit nur einem Gedanken: Ich muss schreiben. Wenn es für mich Grund gab, nach der dritten Vollversammlung zu bloggen (und gleich drei Texte daraus zu machen), dann muss ich jetzt erst recht meine Gedanken ordnen und mit Worten zu (digitalem) Papier bringen. Während dieses Abends habe ich mehrfach überlegt, wie ich mit Menschen aus meinem mehr oder weniger nahen Umfeld über die Ereignisse des heutigen Tages reden würde, bei wem die Emotionalität des Themas mehr durch meine Erzählung schimmern würde und bei wem eher die interessierte Analyse dessen, was schief gelaufen war und was als nächstes passieren wird. Stand jetzt, nachdem ich die außerplanmäßige und nicht gestreamte Sitzung der Nicht-Bischöfe beobachten durfte, halte ich es nicht für sinnvoll, die Satzung zu verändern. Das bringt zu viel des Beigeschmacks von „Wir verändern die Regeln erst dann, wenn uns das Ergebnis nicht mehr passt“. Für die Betroffenen, die so viel Zeit, Engagement und Arbeit in die Papiere gesteckt haben und trotzdem immer noch so oft diskriminiert werden, so viele Verletzungen aushalten, für sie hoffe ich, das zumindest die Handlungstexte angenommen und umgesetzt werden. Andererseits frage ich mich, wie mit ebendiesen Handlungstexten umgegangen wird, wenn formell die theologische Grundlage fehlt.
Zitate, die ich sehr passend fand, um den ersten Sitzungstag zu beschreiben: „Man ist naiv und im Blindflug in eine Nebelwand geflogen“ – sinngemäß Prof. Dr. Tiefensee (*Anmerkung im Nachhinein: Seine Redebeiträge zur vierten Synodalversammlung fand ich wiederholt sehr gut.)
„Es war ein harter aber heilsamer Einstieg“ – Dr. Belafi

ihr könnt es bei YouTube nachschauen, die Moderation hatte es wirklich nicht leicht

Gut, das ist also passiert. Was bleibt jetzt noch im Nachhall?
Soweit ich die Debatten wahrnehme, sind das vor allem folgende Themen und Fragen: Natürlich das Scheitern des Grundtextes und der Umgang mit eben diesem Scheitern. In den meisten Fällen hört man Konsens darüber, dass der Fakt, dass Texte nicht angenommen werden, völlig okay ist. In meiner bubble geht die darin anschließende, eigentliche Kritik dann an die (überwiegend Weih-)bischöfe, die sich nicht vor der Abstimmung eingebracht haben, die nicht erkennen ließen, dass sie den Text ablehnen würden und deren konkrete Punkte, an welchen sie den Text nicht unterstützen können, immer noch nicht so ganz klar sind. Dieser Kritik wird dann oft die Emotionalität und Unprofessionalität der Redebeiträge der liberaleren Synodalen und besonders der Betroffenen nach dem Eklat entgegengehalten, aber ich bin der Meinung, dass man mit den Verletzungen umgehen können muss, wenn man selbst die Person ist, die sie auslöst. Außerdem ist es ja bei Weitem nicht so, dass die Debatten zuvor ausschließlich sachlich und konstruktiv geführt wurden. Ein weiterer Kritikpunkt der konservativeren Seite ist, wie Bischof Bätzing, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, die Macht dieser Position nutzt, um den abgelehnten Text trotz formaler Ablehnung im Vatikan vorzulegen und während der Vollversammlung durch spontan einberufene Sitzungen der Bischofskonferenz (erfolgreich) versucht, die 2/3-Mehrheit sicherzustellen, bevor abgestimmt wird. Meine Meinung: Wenn euch unausgeglichene Machtverhältnisse stören, dann habt ihr ja offenbar doch ein bisschen angefangen das Problem zu erkennen, hier ein Vorschlag: Reformiert die Institution der katholischen Kirche. Davon mal abgesehen, gab es von Anfang an die Möglichkeit, an dem Entstehungsprozess der Texte mitzuarbeiten und Kritik sowie Veränderungswünsche vor der Abstimmung konstruktiv einzubringen. Wenn man diese Möglichkeiten nicht nutzt, hat man am Ende wenig Grundlage, sich darüber aufzuregen, dass Texte in der Welt wahrgenommen werden, die man gern anders hätte.
Im Nachhall bleibt außerdem die Frage, wie die Umsetzung des beschlossenen Synodalen Rats aussehen wird und welches andere Gremium dafür abgeschafft werden muss, wenn eins abgeschafft wird.
Und mein letzter, aber wichtigster Punkt, den ich weniger in den Medien der Nachbereitung wahrnehme, aber im persönlichen Gespräch in meinem Umfeld oft höre und aus meiner persönlichen Erfahrung so bestätigen würde: Nach und durch den Eklat am Donnerstagabend hat sich die Gesprächskultur – wie ich finde zum Besseren hin – verändert. Die Redebeiträge wurden weniger polemisch, dafür ergebnisorientierter. Außerdem hat man von vielen Personen – meist Weihbischöfen – ein tatsächlich beeindruckendes Zeugnis ihres Ringens mit sich, mit der Kirche, wie sie sie immer kannten und der Lebensrealität der katholischen Glaubensgemeinschaft – die ja schließlich in vielen Fällen schon längst viel, viel liberaler lebt und glaubt als die Amtskirche es meist vorsieht – gehört. Neben Eingeständnissen der Überforderung, die eigentlich nur fassungslos machen, waren es genau diese ehrlichen Redebeiträge, die es viel früher gebraucht hätte und die nun das (wahrscheinlich richtige) Gefühl davon vermitteln, dass sich einige Synodale erst bei der vierten Vollversammlung auf Synodalität eingelassen haben.

So viel erst einmal von mir, bleibt gesund und passt auf euch auf,
Alyrène

PS: Ich würde sagen, mit dem verlinken meiner Twitterposts ist jetzt der Anonymitätszweck meines Pseudonyms vollständig dahin, aber das ist okay und auch kein Versehen. Ich werde Alyrène trotzdem weiter als Blogpersona und Künstler*innennamen verwenden und tragen. Twitter bringt lediglich Blog, Öffentlichkeit und (ein bisschen) Privates zusammen, weil ich einfach keine Kapazitäten habe, dort auch noch zwei Accounts am Leben zu halten.


Bildrechte des im Banner verwendeten Bilds: Synodaler Weg / Maximilian von Lachner

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