Liebe Lesende,
es ist Freitag der 13. und ich kann mir keinen besseren Tag vorstellen, um diese Rezension hochzuladen. Solltet ihr wie der*die liebe Aly zur abergläubischen Hälfte der Bevölkerung gehören habe ich gute Nachrichten für euch: Mit dieser Rezension habt ihr euren Sold für Unglück an diesem schicksalsträchtigem Tag erfüllt, denn unglücklicher als sich die Iron Flowers Reihe in meiner Leseliste macht ist schwer zu toppen.
Wie kam ich zu diesem Fehlgriff? Vor ein paar Tagen telefonierte ich mit einer guten Freundin, die gerade in Italien ihr FSJ macht und bei einer digitalen Tasse Tee kamen wir auf Bücher zu sprechen. Ich erzählte ihr von dem Hörbuch, was mich aktuell bei langweiligen Hausarbeiten oder Busfahrten begleitete und musste feststellen, dass ich doch ein paar mehr Gedanken dazu hatte. Anfangs war ich angezogen vom Setup der Geschichte, doch je länger ich hörte, desto unsicherer wurde ich, ob dieses Buch mir überhaupt gefiel. (Der bezaubernde Mensch, der sie ist, hat sie sich gute 20 Minuten von mir zuquatschen lassen.)
Das fragliche Werk ist Die Rebellinnen (Originaltitel Grace And Fury) von Tracy Banghart, der erste Teil der Dilogie Iron Flowers. 384 Seiten, erschienen auf Deutsch am 25. April 2018 im FISCHER Sauerländer Verlag, zu finden unter der ISBN 9783737355421. Das Cover ist relativ ansehnlich gestaltet, auch wenn ich grundsätzlich abgeneigt von der Abbildung realer Personen bin (immerhin sind sie hier nur gemalt). Die Idee, Metallblumen als Motiv aufzugreifen ist recht naheliegend. Nur die ungeglückte Symmetrie beim Zusammenlegen der Dilogie kratzt etwas an meinem ästhetischen Empfinden.

Klappentext
Sie haben keine Rechte.
Sie mussten ihre Träume aufgeben.
Doch sie kämpfen eisern für Freiheit und Liebe.
Sie sind Schwestern, könnten unterschiedlicher nicht sein und sind dennoch unzertrennlich. Nomi ist wild und unerschrocken, Serina schön und anmutig. Und sie ist fest entschlossen, vom Thronfolger zu seiner Grace auserwählt zu werden und ihr von Armut und Unterdrückung geprägtes Leben gegen eines im prunkvollen Regentenpalast einzutauschen. Doch am Tag der Auswahl kommt alles anders: Die Schwestern werden auseinandergerissen – und ein grauenhaftes Schicksal erwartet sie, auf das sie niemand vorbereitet hat.
In einer Welt, in der Frauen keine Rechte haben, kämpfen die Schwestern Nomi und Serina um Freiheit und ihre Liebe: der erste Band der mitreißenden Serie.
Als ich mir das Hörbuch 2019 in den Winterferien herunterlud, brauchte ich dringend Ablenkung von einer Weisheitszahn OP und eben dieser Klappentext erschien meinem 16-jährigen Ich passend dafür. Allerdings hatte ich das Buch aus unerfindlichen Gründen nie beendet. Nun, 3 Jahre später mit 19, bin ich der Zielgruppe (14-17) etwas entwachsen. Doch die Liste meiner Audible Hörbücher wird immer länger (genau wie die, der physisch präsenten in meinem Bücherregal) ohne in entsprechendem Tempo abgearbeitet zu werden. Da ich gerade etwas Zeit hatte, dachte ich: Wieso nicht einen neuen Versuch starten? Nach 13 Tagen und einem langen Telefonat nach Italien kann ich euch sagen wieso nicht, aber fangen wir doch am Anfang an.
Frauensolidarität und Zerstörung des Patriarchats sind die Motive, die einem bereits der Klappentext entgegenschlägt. Genau mein Stoff, also bin ich, egal ob 16 oder 19, erstmal an Bord. Auch das Setup der Geschichte ist vielversprechend. Jedes Kapitel ist abwechselnd aus der Sicht einer Schwester erzählt. Das Leben der beiden ist durch Armut geprägt und einem tief verwurzelten, systematischen Sexismus, der ihnen jegliche Aufstiegschancen verwehrt. Die Schwestern haben sehr unterschiedliche Ansätze mit dieser Situation umzugehen. Serina beugt sich dem System und versucht innerhalb dieser Strukturen einen Weg zu finden ihrer Familie zu helfen. Sie durchläuft die Ausbildung zur Grace, um als Konkubine des Thronfolgers mit Nomi als ihrer Zofe die materiellen Vorzüge des Palastes zu genießen und ihrer Familie finanzielle Unterstützung zukommen lassen zu können. Auf der anderen Seite ist Nomi, die das System in Frage stellt und nach Ideen sucht, um eine aktive Opposition zu bilden. Hier werden bereits Parallelen zum Leben der (weiblichen) Leserschaft gespannt. Wie auch in der Realität gibt es zwei Handlungsmöglichkeiten systematischem Sexismus entgegenzutreten: Einen Weg innerhalb des Systems finden und möglichst gewinnbringend mitspielen oder das System herausfordern und für grundlegende Veränderungen kämpfen.
Der Twist, den Tracy Banghart anwendet und der dieses Buch wirklich interessant hätte machen können ist, dass die Schwestern in Positionen gezwungen werden, in denen sie sich in getauschten Rollen wiederfinden. Serina, elegant, überlegt und trainiert ihre Konkurrentinnen auszustechen findet sich in einem Kampf ums Überleben wieder. Sie landet in einer Situation, in der sie nicht gegen, sondern mit Frauen zusammenarbeiten muss. Frauen, die fluchen und lauthals lachen, die mit bloßen Fäusten kämpfen und füreinander ihr Leben geben. Nomi, rebellisch, naiv und aufbrausend ist derweil gezwungen ein Leben in der permanenten Überwachung des Palastes meistern. Sie muss lernen sich zurückzuhalten, zur richtigen Zeit zu handeln und die Wurzel des Problems anzugreifen, statt sich nur über die Umstände zu beschweren.
Wir haben alle Voraussetzungen für eine fesselnde Geschichte. Zwei gegensätzliche Protagonistinnen, die sich im Schicksal der anderen wiederfinden und so gezwungen sind ihre Einstellung zu evaluieren. Sie entwickeln Verständnis für die Perspektive ihres Counterparts und wachsen so als Schwestern enger zusammen, sowie als Individuen über sich hinaus. Nur indem sie Charakterstärken ihrer Schwester annehmen, können sie ihre Schwächen und damit auch die Hindernisse ihrer jeweiligen Situation überkommen. Wir haben Drama, wir haben einen realitätsbezogenen Konflikt, Raum für Charakterentwicklung und Lebenslektionen, wir haben die vielschichtige Beziehung zweier Schwestern und wir bekommen – eine halbherzig ausgeführte Version von alledem.
Die Voraussetzungen sind gut, doch Tracy Bangharts Ausführung hat mich enttäuscht. Das Pacing ist mir persönlich zu schnell, man hat keine Zeit eine emotionale Verbindung zu den Charakteren aufzubauen, dementsprechend ist einem auch relativ egal, was mit ihnen passiert. Serinas und Nomis Charakterentwicklung ist schwach ausgeprägt, vor allem Nomi trifft am Ende des Buches immer noch naive Entscheidungen, die zu vermeidbaren Problemen führen. Wenn ein Charakter sich dumm anstellen muss, damit der Plot Sinn ergibt und sich entfaltet, sind nicht nur die Figuren wenig überzeugend, sondern auch die Geschichte wenig standfest. Standfest ist auch die Botschaft, die Banghart an ihre Leserschaft senden will nicht, denn obwohl Frauensolidarität im Zentrum stehen soll sind die Protagonistinnen ohne ihre Love Interests aufgeschmissen. Gerade mit diesem Fokus hätte man die, zumindest für eine Schwester, auch weglassen oder durch eine queere Romanze ersetzen können, aber das ist anscheinend zu viel verlangt. Generell werden viele Motive oder interessante Gedanken nur angeschnitten, aber nie weiter ausgeführt. Nicht nur das Thema des Buches, auch die Handlungen und Charaktere fühlen sich dadurch flach und unausgereift an. Ein Effekt der durch die Offensichtlichkeit mit der einem alles ins Gesicht geschmissen noch verstärkt wird. Infodumps, zweidimensionale Archetypen und Tropes, vorhersehbare Wendungen und null Subtilität. Leider ist Tracy Bangharts Schreibstil auch nicht so fesselnd, dass ich über einige dieser Punkte hinwegsehen könnte.
Zusammengefasst: Die Basis wirkt vielversrechend, es ist durchaus eine Geschichte mit Potential und ein paar guten Zitaten. Doch die Ausführung ist mangelhaft, die Motive werden nur halbherzig angeschnitten, eine Charakterentwicklung, für die eigentlich alle Voraussetzungen da sind, findet ebenfalls nicht wirklich statt.
Für mich 2 von 5 Sterne.
Zum Ende hin war ich so frustriert mit dem Buch, dass mich Erleichterung ergriff, als ich das Hörbuch beendet hatte. Die Fortsetzung der Dilogie Die Kriegerinnen befindet sich ebenfalls noch ungehört in meiner Audible Bibliothek, doch ich fürchte, sie wird dort verweilen.
Bleibt gesund und trinkt Tee,
Eure Selma ❤
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