Liebe Lesende,
ihr habt ihn nun endlich vor euch, meinen ersten offiziellen Blogeintrag – wie aufregend! Natürlich konntet ihr die Früchte meiner Arbeit bereits in Augenschein nehmen: neue Farbpaletten, Logodesigns und Autorenbilder, sowie mein Anteil am Interview. Doch Herz des Blogs sind unsere Texte und das sollt ihr nun bekommen. Ich würde Lügen, sollte ich behaupten, meine erste Veröffentlichung in der Book-Community lief planmäßig, denn schon die Auswahl des zu rezensierenden Werks stellte mich vor Herausforderungen.
Leigh Bardugo dürfte einigen bereits bekannt sein, nicht zuletzt durch die gefeierte Netflixserie Shadow and Bone (basierend auf ihren Bestsellern der Krähen- und Grishatrilogien). Ursprünglich war es auch Das Lied der Krähen und dessen Folgeteile, die ich unter die Lupe nehmen wollte. Leider ist meine Bibliothek nur im Besitz des ersten Bandes und da ich keine Lust hatte, eine Serie anzuschneiden, ohne die Fortsetzung in Reichweite zu haben, ging ich stattdessen mit einem anderen ihrer Bücher nach Hause. Wie sich bei einem Blick auf Goodreads später herausstellte, ist dieses allerdings ebenfalls Start einer Reihe und deren Fortsetzung ist noch nicht einmal veröffentlicht. Das nennt man dann wohl Ironie des Schicksals.
Immerhin entpuppte sich das Buch als zufriedenstellendes Rezensionsmaterial: Nicht schlecht, aber polarisierend genug, um einige interessante Gedanken dazu zu sammeln. Diese musste ich lediglich zu Papier bringen. Was ich auch getan habe! In 3 Sitzungen. Über 2 Monate verteilt.
Aber genug von mir, kommen wir endlich zum Wesentlichen: Dem Buch!
Das neunte Haus (Orininaltitel Ninth House) ist Auftakt der Alex Stern Reihe von Leigh Bardugo. 528 Seiten, erstveröffentlicht am 8. Oktober 2019, auf Deutsch 2020 im KNAUR Verlag erschienen. Zu finden unter der ISBN 9783426227176. Das Cover ist in allen Ausgaben ähnlich: Wir haben Autorin und Titel in großen, klaren Lettern und eine sich darum windende Schlange. Die deutsche Ausgabe arbeitet mit Verläufen von Schwarz zu Petrolblau und sowohl Buchstaben, als auch Schlange haben eine silbrig glänzende Optik. Es ist genau die Art Cover, die zugleich schlicht und aufregend genug gestaltet ist, um mich von Weitem schon anzuziehen.


Klappentext
MORS VINCIT OMNIA – DER TOD BESIEGT ALLES
Acht mächtige Studenten-Verbindungen beherrschen nicht nur den Campus der Elite-Universität Yale, sondern nehmen seit Generationen Einfluss auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der USA – das neunte Haus jedoch überwacht die Einhaltung der Regeln. Denn die Macht der Verbindungen beruht auf uralter, dunkler Magie.
Als auf dem Campus von Yale mehrere Studentinnen brutal ermordet werden, sind die Fähigkeiten der Außenseiterin Alex Stern gefragt, die eben erst vom neunten Haus rekrutiert wurde: Nur Alex ist es auch ohne den Einsatz gefährlicher Magie möglich, die Geister der Toten zu sehen. Um eine Verschwörung aufzudecken, die weit über 100 Jahre zurückreicht, muss Alex ihre Fähigkeiten bis aufs Äußerste ausreizen – und einen Weg finden, mit ihrem ebenso brillanten wie arroganten Mentor Darlington zusammenzuarbeiten.
Erwartet habe ich einen sprachlich qualitativen Urban Fantasy/Mystery NA (New Adult) Roman mit starker Dark Academia Ästhetik und das konnte Bardugo mehr oder weniger auch liefern.
Den Einstieg macht ein klassischer Prolog, der allerdings keine Vorgeschichte liefert, sondern uns eine Vorschau auf die Ereignisse am Ende des Buches gibt. Wir werfen einen ersten Blick auf die Protagonistin Alex und beobachten sie in ihrem Rückzugsort. Sie scheint sich seit mehreren Wochen in der Wohnung über einem Bekleidungsgeschäft zu verstecken. Wir bemerken schnell, dass sie etwas neben sich steht. Ihre Gedanken rastlos und erschöpft zugleich – Vielleicht im Fieberwahn, vielleicht unter Schmerzmitteln. Sie ist verletzt und studiert mysteriöse Schriftstücke, deren Inhalt sich den Lesenden noch nicht erschließen lässt. Es fühlt sich an, als hätte man gerade das Fernsehprogramm gewechselt und versucht nun herauszufinden was für ein Film läuft.
Je mehr man liest desto näher kommt man Alex, erhält Einblick in ihr skurriles Leben und die Welt in der sie sich bewegt. Nicht zuletzt die Erzählperspektive des personalen Erzählers stützt das Gefühl Zuschauer einer (zunächst unbekannten) Sendung zu sein. Ein personaler Erzähler beschreibt das Geschehen von außen, aber mit Fokus auf eine Figur und deren Wahrnehmung (Kafkas Werke bedienen sich z.B. dieser Perspektive). Die Kapitel wechseln dabei zwischen Zeiten und Figurenfokus. Kapitel die in der Gegenwart – im Winter – spielen sind mit dem Fokus auf Alex und ihre Gefühls- und Gedankenwelt erzählt. Kapitel der Vergangenheit, die sich im Herbst davor abspielen verschieben jedoch die Perspektive auf Alex Partner Darlington. Bis zur Hälfte des Buches wechseln Winter und Herbstkapitel sich ab, springen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, sodass die Leserschaft dem Rätsel um Alex Fähigkeiten, ihrer Vergangenheit und dem Ankerpunkt der Geschichte – Darlingtons Verschwinden – näherkommt.
Als leicht zu gruselnder Mensch bin ich nicht besonders bewandert im Mystery Genre, denke aber, dass die Handlung an Spannung mithalten kann. Trotz einiger Stolpersteine (siehe Triggerliste) zieht es einen von Seite zu Seite und Bardugo gelingt es, dass ich Antworten auf die Fragen, die sie aufwirft, finden will. Entsprechend der Dark Academia Ästhetik, der sich das Buch ganz offensichtlich bedient, liefert Das neunte Haus nicht nur mit oberflächlichen Elementen (also der tatsächlichen Ästhetik von z.B. beschriebenen Orten), sondern auch mit den dazugehörigen Motiven. Mord, Okkultismus, Geheime Gesellschaften – Bardugo deckt die ganze Bandbreite ab. Ich selbst bin mit einer eher wagen Vorstellungen dieser Ästhetik in das Lesen gegangen und war durchaus überrascht wie Dark es inhaltlich wurde. Wer, wie ich, ein Uni-Abenteuer mit mysteriösen Fähigkeiten erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Das Buch dreht sich um die Korruption, die jegliche Gesellschaftsschicht verbindet. Egal ob es sich um die Drogenszene im Ground Zero oder die Elite der Yale Universität handelt: Sie alle sind von etwas besessen und sie alle gehen über Leichen, um sich und ihren Status zu schützen.
Im Nachhinein hat diese Herangehensweise meine Erwartungen positiv übertroffen und ich bin überzeugt von dieser erwachseneren Umsetzung (NA statt YA). Doch hier liegt auch mein schärfster Kritikpunkt. Bardugo bedient sich einer Vielzahl düsterer, bedrückender Motive, deren Darstellung zwar sehr gelungen ist, die aber für Lesende Trigger sein können. Ich selbst hatte keine Probleme, doch einige Stellen haben mich dann doch…überrascht (und angeekelt). Zu meiner Enttäuschung fehlt es an jeglicher Vorwarnung für diese Themen. Ich habe hier mal eine Triggerliste zusammengestellt mit den Beschreibungen für die ich persönlich eine Anmerkung im Buch für angebracht halte:
Triggerliste: (Versuchte?) Vergewaltigung einer Minderjährigen, sexuelle Belästigung/Missbrauch unter Einfluss einer magischen Droge, Ertrinken, schwere Gewalt, Blut (das Lesen in menschlichen Eingeweiden), Drogenabhängigkeit, Überdosierung, Tot, Suizid, Erpressung (mit sexuellen Videos), Selbstverletzung und erzwungener Konsum von menschlichen Ausscheidungen (unter Hypnose)
Sollte sich jemand nach dieser Auflistung abgeschreckt fühlen das Buch zu lesen, kann ich es euch nicht verübeln. Lasst mich jedoch klarstellen, dass diese Dinge nur ein Teil des Gesamtpakets sind. Alles in allem betrachtet ist Das neunte Haus ein solider NA Roman, der mit seiner Dark Academia Fokussierung offensichtlich einen Nerv trifft. Die Spannung ist da, die Charaktere gut gezeichnet und die Dynamik zwischen den Hauptpersonen ist *chef‘s kiss*. Mein einziger Großer Minuspunkt ist und bleibt die fehlende Triggerliste und der Umgang mit einigen dieser Themen, die man auch anders umsetzten könnte.
Für mich deshalb 4 von 5 Sternen.
Würde ich das Buch generell weiterempfehlen? Ja. Würde ich es euch vorschlagen, wenn ihr sehr sensibel auf bestimmte Themen reagiert und/oder keinen Anklang am Dark Academia Hype findet? Eher nicht.
Ich hoffe diese Review hat euch etwas gebracht. Sei es nun ein neuer Lesewunsch, ein gut gemeinter Hinweis oder einfach Unterhaltung in der Kaffeepause. 🙂
Bleibt gesund und glücklich,
eure Selma ❤
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