Liebe Leser*innen,
heute geht es um ein Buch einer irischen Schriftstellerin. Diese Rezension kommt tatsächlich nicht nur so lang nach Beenden des Buches, weil mein Leben chaotisch ist, sondern auch, weil ich erst mal einige Zeit brauchte, um über Schöne Welt, wo bist du nachzudenken. Nun findet ihr meine Gedanken gesammelt an einem Ort, viel Spaß beim Lesen:

Schöne Welt, wo bist du, im Original Beautiful World, where are you, wurde von der Irin Sally Rooney geschrieben und am 7. September diesen Jahres veröffentlicht. Das deutschsprachige Hörbuch, zu finden unter der ISBN 9783957132529, erschien im Hörbuch Hamburg Verlag, umfasst eine Hördauer von 11 Stunden und wurde von Julia Nachtmann gesprochen. Mir wurde ein Exemplar des Hörbuches von NetGalley im Austausch einer ehrlichen Rezension zur Verfügung gestellt.
Klappentext: Alice trifft Felix. Sie ist eine erfolgreiche Schriftstellerin, er arbeitet entfremdet in einer Lagerhalle. Sie begehren einander, doch können sie einander auch trauen? Alices beste Freundin Eileen hat eine schmerzvolle Trennung hinter sich und fühlt sich aufs Neue zu Simon hingezogen, mit dem sie seit ihrer Kindheit eng verbunden ist. Sie lieben sich, doch ist der Versuch der Liebe den Verlust ihrer Freundschaft wert?
Zwischen Dublin und einem kleinen Ort an der irischen Küste entfaltet Sally Rooney eine Geschichte von vier jungen Menschen, die sich nahe sind, die einander verletzen, die sich austauschen: über Sex, über Ungleichheit und was sie mit Beziehungen macht, über die Welt, in der sie leben. »Schöne Welt, wo bist du« ist eine universelle Geschichte über den Raum zwischen Alleinsein und Einsamkeit und über die Freiheit, sein Leben mit anderen zu teilen – überwältigend klug, voller Klarheit und Trost.
Ich habe kurz überlegt, den Inhalt noch einmal kurz mit eigenen Worten zusammenzufassen, aber der Klappentext verrät im Grunde bereits alles wichtige.
Ich mochte den Schreibstil sehr. Besonders die E-Mails zwischen Alice und Eileen, die man immer wieder lesen/hören konnte, waren an vielen Stellen sehr philosophisch und inspirierend. Leider war der eigentliche Plot des Buches nicht wirklich vorhanden. Alles wirkte sehr nach einer Standard-Romanze, in der es im wesentlichen auch nur darum geht, wie sich die Beziehungen entwickeln. Diese Art des Plots kann spannend sein, aber in Schöne Welt, wo bist du fehlte mir schlicht die Tiefe der Charaktere und der Spannungsbogen der Geschichte. Hinzu kommt, dass alles ziemlich voraussehbar war.
Wie gesagt, die E-Mails regten im Gegensatz zum Plot an einigen Stellen doch sehr zum Nachdenken an, jedoch stehe ich besonders einer Aussage sehr kritisch gegenüber. Wie ich es bereits in meinem Beitrag zu Fridays For Future angedeutet habe, meint Eileen an einer Stelle ihrer Mail, dass die Welt vielleicht gerade deshalb untergeht, weil wir Menschen nur an Freundschaft, Sex und Liebe denken und uns deshalb nicht mehr um den Planeten kümmern. Ihrer Meinung nach wäre das doch eigentlich ein schöner Grund, warum die Welt untergeht. Diese Aussage halte ich für sehr problematisch, denn sie ist zwar wahrscheinlich romantisch gemeint (wie in den Filmen, in denen sich das Liebespaar in dem Moment das erste mal küsst und ‚endlich vereint ist‘, in dem um sie herum alles zusammen bricht, das Schiff untergeht oder ein Vulkan ausbricht), berücksichtig aber in keinster Weise, dass dann nichts desto weniger trotzdem alle Menschen sterben, inklusive der geliebten Personen im direkten Umfeld. Zerstörtes Leben bleibt zerstörtes Leben und man sollte alles dafür tun, Leben zu schützen.
Ein weiterer Punkt, den ich gern ansprechen würde, ist die Bi-Repräsentation im Buch, denn sie ist vorhanden, was mich an sich sehr gefreut hat, aber ich stehe ihr dennoch mit gemischten Gefühlen gegenüber. Gut fand ich, dass thematisiert wurde, wie wenig vor allem Bi-Männer gesellschaftlich akzeptiert werden und dass zumindest bei Alice nicht das typische Klischee bedient wurde, hinsichtlich des unbegründeten Vorurteils bisexuelle Menschen würden mit jeder Person schlafen, die nicht bei 3 auf dem Baum ist. Was ich jedoch kritisch sehe, ist das abgesehen von zwei bisexuellen Figuren das restliche Umfeld voll und ganz in die Cis-Hetero-Norm passt, was ich für nicht repräsentativ und kein Stück realistisch halte. Queere Menschen kommen selten so vereinzelt vor. Wo ist die queere Community der beiden?!
Extrem kritisch fiel mir außerdem die Szene in Italien auf, in der Alice und Felix darüber reden, welche moralisch verwerflichen Sachen sie in ihrem Leben schon gemacht haben. Um Spoiler zu vermeiden, werde ich jetzt nicht auf Details eingehen, gesagt sei jedoch, dass an dieser Stelle Handlungen und Ansichten auf, wie ich finde, sehr unangebrachte Weise in Relation gesetzt wurden, die eindeutig unabhängig voneinander auch außerhalb eines Romans gesellschaftlich mehr thematisiert sowie angemessen und stärker kritisiert werden sollten.
Alles in allem war Schöne Welt, wo bist du ein netter Roman, der an einigen Stellen durchaus inspirierend war und zu Diskussion anregen kann, aber den extremen Hype kann ich absolut nicht nachvollziehen. Meiner Meinung nach war das Buch als solches – denn als Hörbuch wurde es wirklich angenehm gelesen – einfach nicht wirklich gut, sondern eher ziemlich langweilig. Die E-Mails hätte man auch in einer Essay-Sammlung oder Ähnlichem veröffentlichen können.
Ich wünsche Euch noch einen schönen Sonntag und bleibt gesund,
Aly
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