Blog Entry No. 43 – Maybe Not Tonight

Liebe Leser*innen,

eigentlich wollte ich diese Rezension schon längst veröffentlicht und in einer Podcast-Folge besprochen haben. Da aber einiges dazwischen kam, musste ich noch mal umplanen, deshalb jetzt die Review zu Maybe Not Tonight und wenn alles funktioniert, wie ich es mir im Moment vorstelle, dann werde ich auch im Oktober in einer Podcast-Folge noch einmal darüber reden.

Maybe Not Tonight ist der zweite Teil der Love is Queer Reihe von Alicia Zett. Der Roman der Frankfurterin erschien am 3. Mai 2021 im Droemer Knaur Verlag. Von NetGalley wurde mir die ungekürzte, 14 Stunden und 20 Minuten lange Ausgabe des Hörbuches im Austausch zu einer ehrlichen Rezension zur Verfügung gestellt. Dieses wurde von Oliver Kube und Oliver Erwin Schönfeld gesprochen, im Argon Verlag veröffentlicht und ihr findet es unter der ISBN 9783732455195.

Klappentext: Für den 19-Jährigen Luke fühlt sich die Zeit als Au pair in Vancouver an wie ein Traum: Jahrelang hat er sich nur darauf konzentriert, seinen Geschwistern den toten Vater zu ersetzen – jetzt, viele tausend Kilometer von Zuhause entfernt, scheint plötzlich alles möglich. Bei einem Theaterprojekt findet Luke schnell neue Freunde und lernt auch den Studenten Jackson kennen, der ihm zeigen könnte, was es bedeutet, wirklich lebendig zu sein. Doch Luke hat keine Ahnung, wie er mit seiner neuen Freiheit umgehen soll. Und in wenigen Monaten wird er in einem Flugzeug zurück nach Deutschland sitzen. Es wäre äußerst unklug, sich auf Jackson einzulassen – oder?

Da dies eines der wenigen Hörbücher ist, die ich rezensiere, direkt erst ein paar Worte zur Vertonung: Die Kapitel, die jeweils aus Lukes und Jacks Perspektive geschrieben wurden, wurden auch von verschiedenen Menschen gelesen. Das Hörbuch so zu gestalten war meiner Meinung nach eine großartige Entscheidung, da man dadurch Perspektivenwechsel deutlicher mitbekommt und außerdem mit den beiden Hauptpersonen unterschiedliche Stimmen verbindet, was das ganze Hörerlebnis etwas realistischer macht. Beide Sprecher hatten sehr angenehme Stimmen sodass man sich voll und ganz auf das Buch einlassen und an vielen Stellen nur so dahin schmelzen konnte. Mir persönlich ist besonders Billies (sollten Namen jetzt falsch geschrieben sein, seht es mir bitte nach, ich habe das Buch nicht als Textstück und somit auch keine sichere Kenntnis über die Schreibweise der Namen) wörtliche Rede noch sehr charakteristisch in Erinnerung geblieben.

Ich mochte sehr, wie sich die Personen in Maybe not Tonight entwickelt haben und wie ausgearbeitet die Nebencharaktere waren, besonders Jacks Schwester ist mir sehr ans Herz gewachsen. Obwohl vieles sehr vorhersehbar war (womit ich ehrlicherweise aber oft rechne, wenn ich Bücher diesen Genres lese) und es im Grunde auch nur eine weitere Liebesgeschichte ist, ist Lukes und Jacksons Geschichte wirklich süß und hat mir mehrfach ein Lächeln auf die Lippen gebracht.

Trotzdem gab es einige kritische Aspekte, über die dringend gesprochen werden muss: Zum einen gab es unzählige Harry Potter Bezüge. Ich möchte nicht behaupten, dass es schlecht wäre Harry Potter Fan zu sein, doch es sollte eindeutig sensibler damit umgegangen werden, welche Bühne man J. K. Rowling damit gibt. Die Harry Potter Bücher sind zweifelsohne schon weltberühmt und es gibt wahrscheinlich kaum jemanden der noch nie zumindest davon gehört hat, dennoch sind solche Erwähnungen in anderen Büchern ein weiterer Multiplikator der Bekanntheit, was wiederum auch besagter Autorin zugute kommt. Meiner Meinung nach gab es eindeutig zu viele Bezüge auf die Fantasy-Reihe, vor allem dafür, dass der Roman einen Teil der LGBTQIA+ Community repräsentiert. Einer Autorin, die sich der Art trans* feindlich äußert, sollte nicht noch mehr positive Aufmerksamkeit zuteil werden.

Außerdem ist Maybe Not Tonight der zweite Teil einer Reihe. Ich habe den ersten Teil nicht gelesen und bin aber trotzdem sehr gut in der Geschichte rein gekommen, kann den Roman also auch all denjenigen empfehlen, die Not Your Type noch nicht kennen. Beim Lesen einiger Rezensionen bin ich aber auf eine Information gestoßen, die ich für den zweiten Teil doch sehr relevant finde: Jackson ist offenbar bisexuell (sollte ich falsche Informationen aus den anderen Rezensionen erhalten haben, kommentiert gern, wenn ihr Not Your Type gelesen habt und es besser wisst), was an sich erst einmal wenig relevant erscheint, da es ja in dieser Geschichte darum geht, dass er sich in Luke verliebt, unabhängig davon ob und wie er sich labelt. Problematisch finde ich nur den Umstand, dass er besonders am Anfang als Player porträtiert wird, der Luke das Herz brechen werde, weil er unzuverlässig sei und lieber feiere und flirte. Wenn man nun die Information aus Band 1 im Kopf hat – Jackson als bisexueller Charakter – und in Band 2 vermittelt bekommt, dass das Unrealistische an der möglichen Beziehung die Beziehungsfähigkeit Jacksons ist (und die Tatsache, dass Luke in einigen Monaten wieder nach Deutschland fliegt, wodurch sie eine Fernbeziehung über den Atlantik hinweg erhalten müssten), wird eines der typischsten Vorurteile gegenüber von bisexuellen Menschen reproduziert und ein Stückchen weiter in das Unterbewusstsein der Leser getragen: Sie würden in einer Beziehung betrügen, weil sie ja an mehreren Geschlechtern interessiert seien. Das ist natürlich Bullshit, denn ob man den Partner betrügt oder nicht hängt von der moralischen Einstellung und nicht von der Sexualität ab. So, dafür dass mein Wissen, auf dem dieser Kritikpunkt basiert, eher weniger fundiert ist (ich bin gern bereit Not Your Type zu lesen sobald ich an eine Ausgabe komme, um das zu ändern) und das auch ein vergleichsweise kleiner Aspekt des Buches ist, ist dieser Absatz doch recht lang geworden. Vielleicht wird es einige nerven, weil ich scheinbar „aus einer Mücke einen Elefanten mache“, aber Fakt ist, dass solche scheinbar irrelevanten, reproduzierten Vorurteile dazu beitragen, dass Menschen in unserer Gesellschaft nicht so akzeptiert und unterstützt werden, wie sie sind. Medien beeinflussen unser unbewusstes Denken mehr, als wir es wahrhaben wollen. Deshalb ist es wichtig auch über die kleinen, unschönen Details von Büchern zu reden.

Außerdem gab es eine Stelle im Buch, über die ich mich im ersten Moment riesig gefreut habe, die mich aber im Nachhinein nur sehr aufregt und nervt: Bei ca. 72% des Buches sagt Tayler: „Wenn ich an Sex denke, denke ich nur daran, wie viele Bücher ich in der Zeit lesen könnte.“ Darauf reagiert wird in nur drei Sätzen und diese nicht einmal in wörtlicher Rede, sondern gewissermaßen in Lukes Gedanken, da die Situation aus seiner Perspektive geschildert wird. Gut ist, dass die Aussage, bzw. ihr outing positiv mit einer Solange-sie-damit-glücklich-ist-bin-ich-es-auch-Haltung aufgenommen wird. Allerdings wird dabei so unglaublich viel Potential für akkurate Repräsentation verschenkt, dass es mich einfach sauer macht. In einer Buch-Reihe mit dem Titel Love is Queer wird die einzige Ace-Repräsentation (die sowieso schon generell viel zu selten umgesetzt wird) am Rande erwähnt und dann mit drei Sätzen abgetan, als wäre nichts weiter passiert?! Warum reagiert niemand auf Taylers Outing? Warum wird die Thematik nicht an einer anderen Stelle noch mal aufgegriffen? Warum wird so viel Wert auf das Outing von Alex gelegt und Taylers wird gefühlt überhaupt nicht wahrgenommen. Auch Ace Menschen müssen mit dem unangenehmen Gefühl eines Outings umgehen und sich oft noch mehr unsensible Kommentare anhören als andere Teile der Community. Dies ist hier zwar zum Glück nicht der Fall, aber als gutes Vorbild sollte diese Art der Reaktion trotzdem auf keinen Fall dienen.

+++Achtung Spoiler!+++

Der letzte Aspekt, der mich ziemlich genervt hat, war wie unfassbar spät Jackson einfiel, dass auch in Deutschland zu studieren eine Option wäre. Nicht nur, dass er schon sehr lange vorher weiß, wann Luke wieder nach Deutschland muss und dementsprechend eigentlich wirklich viel Zeit hatte über die Möglichkeiten für ihre Beziehung nachzudenken, nein, nach drei Monaten schmerzhafter Fernbeziehung, muss ihm von seiner Schwester gesagt werden, dass er auch in Deutschland studieren könnte, was mehrere Vorteile mit sich bringen würde.

+++ Spoiler Ende +++

Alles in allem ist Maybe Not Tonight eine süße Romanze mit liebenswerten Nebencharakteren, die man sich gut zwischendurch anhören kann. Jedoch merkt man stark, dass das Buch für eine weibliche cis hetero Leserschaft geschrieben wurde. Wenn man es liest, sollte man es für die Liebesgeschichte lesen und nicht für einen spannenden Plot oder die queere Repräsentation, denn diesbezüglich wird man leider stark enttäuscht. Mehr als 2,5 Sterne kann ich leider nicht vergeben.

Liebe Grüße,
Aly

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