Liebe Leser*innen,
wie ich in Blog Entry No. 32 bereits zelebrierte, gibt es Alyrene’s Blog nun schon ein Jahr. Ein Jahr, in dem viel passiert ist. Ein Jahr, in dem mir einiges klar geworden ist. Ein Jahr, dass mir mindestens genauso viele Fragen wie Antworten gegeben hat.
Als ich mit dem Bloggen angefangen habe, wollte ich um jeden Preis anonym bleiben. Ich habe nur zwei oder drei Personen von diesem Projekt erzählt und das auch hauptsächlich nur aus praktischen Gründen. In Blog Entry No. 12 – Den Mund voll ungesagter Dinge schnitt ich bereits schon etwas an, warum ich lieber anonym bleibe: Anonym hat man einen Ort, an dem man seinen ganzen psychischen Ballast abladen kann, reden (oder in meinem Fall schreiben) kann, ohne in mitleidige und/oder hilflose Gesichter blicken zu müssen, ohne Antworten auf Fragen geben zu müssen, die man sich nicht stellen will. (An alle, die mich privat kennen: Bitte nehmt das nicht persönlich, ich bin nur ehrlich und so ist mein Leben schlicht einfacher.) Aber anonym zu bleiben hat noch mehr Vorteile: Zum einen kann man sich so seinen Namen selbst aussuchen, ohne jemanden zu verletzen oder viel Geld im Bürokratieapparat des Staates zu lassen. Versteht mich nicht falsch, ich liebe meinen Namen, den ich zur Geburt erhielt und der in meinem Ausweis steht, ich würde wahrscheinlich nicht mal im Falle einer Hochzeit meinen Nachnamen abgeben wollen und mein Pseudonym setzt sich auch zu großen Teilen aus meinen Vornamen zusammen, aber Alyrene ist einfach ein verdammt cooler Name, den es nicht besonders oft gibt und den ich nicht gern wieder ablegen wollen würde. Zum andern kann man auch den Vorteil, sich so eine klare Trennung von privatem und öffentlichem Leben zu bewahren, nicht abstreiten. Das macht es deutlich einfacher im Privaten zu entspannen 😉 Außerdem ist natürlich die Idee von einem Doppelleben einfach cool 😀
Aber wie gesagt, das letzte Jahr brachte viele Veränderungen mit sich. Zu den Dingen, die mir klar(er) geworden sind, zählt zum Beispiel, dass ich mein Gesicht nicht mehr verstecken möchte. Ich will, dass ihr wisst, wessen Gedanken ihr hier zu lesen bekommt, wie der Mensch, der hinter all dem steckt aussieht und welches Gesicht ihr mit dem Namen Alyrene gern verknüpfen könnt. Ich will zu meiner Identität stehen können, sobald ich sie gefunden habe (zur Zeit sind da noch einige Fragezeichen). Mir ist klar, dass es eigentlich total unwesentlich ist, wie ich aussehe oder dass ich eigentlich dunkelblonde, absolut glatte Haare habe, aber das heißt auch, dass ihr es ruhig wissen könnt.

Also, das bin ich: Ständig auf der Suche nach mir selbst (die Identitätsfrage ist nach der Sinnfrage wirklich die schwierigste aller Fragen, aber im Gegensatz zu letzterer lohnt es sich wahrscheinlich sie zu fragen), heute 18 Jahre alt (den Blog am eigenen Geburtstag zu gründen hat schon was), 1,65 m groß, viel zufriedener mit roten, welligen Haaren, weiß, weiblich, westlich privilegiert, deutsche Staatsbürgerin. Vier Monate durfte ich im wundervollen Irland leben und ich hoffe viel Reisen zu können, sobald wir die Pandemie hoffentlich irgendwann überstanden haben. Ich unterhalte mich gern mit Menschen, besonders mit den älteren Generationen, da diese oft viel mehr Lebenserfahrung gesammelt und unter völlig anderen Umständen gelebt haben. Die Geschichten, die viele Menschen zu erzählen haben, interessieren mich immer wieder aufs neue. Mir wurde einmal gesagt, ich würde dramatisch schreiben und vielleicht stimmt das ja. Vielleicht bin ich dramatisch, weil ich kleinen Äußerungen, kleinen Handlungen oft große Bedeutungen zuschreibe, weil ich daran glaube, dass die Welt noch zu retten ist und weil mich das Universum, in dem wir leben, in seiner Unendlichkeit fasziniert und regelmäßig überfordert (wie gesagt, die Sinnfrage hat vermutlich keinen Platz in der Unendlichkeit). Vielleicht bin ich dramatisch in meinem Enthusiasmus für Dinge, die mich begeistern und/oder tief berühren (Menschen, Bücher, Musik, Filme, der Planet Erde, etc.). Vielleicht ist dramatisch sein etwas gutes. Oder auch nicht, denn gut und schlecht sind sowieso nur Definitionsfragen.
Ich weiß (noch) nicht welchem Teil der LGBTQIA+ Community ich mich zugehörig fühle, aber was ich weiß ist, dass ich immer ein Ally für all diese Menschen sein möchte, die wegen ihrer Identität diskriminiert, unterdrückt, ignoriert und angefeindet werden oder sogar Gewalt erfahren. Wir sind alle Menschen, also sollten wir auch allen Chancengleichheit, Menschenrechte und ein Leben in Freiheit ermöglichen. Wir sollten unsere Mitmenschen mit Freundlichkeit und Respekt behandeln und für die kämpfen, deren Rechte nicht gewahrt sind und die nicht auf diese Weise behandelt werden. Ich weiß, dass ich eine cis Frau bin, die für diese Werte einsteht und ich weiß, dass sich meine anderen Fragen auf der Suche nach meiner Identität mit der Zeit noch klären werden. Ich freue mich schon wirklich auf den Moment irgendwann als alte Frau, Sicherheit in meinem Sein gefunden zu haben und meine Lebenserfahrung an eine Generation, die hoffentlich in einer besseren Welt lebt als wir heute, weitergeben zu können.
Das bin ich. Irgendwie. In einem Jahr bin ich wahrscheinlich eine andere (mit dem gleichen Kern?). Wer weiß.
Alles Liebe,
Aly
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