Liebe Leser,
das heutige Thema der Blog Tour ist eine weitere der drei Hauptfiguren: Isy, die Kommunistin, die Verrückte. Auf diesen Beitrag freue ich mich fast am meisten, da Isy eine sehr vielseitige Figur ist.
Sie ist die treibende Kraft für den Anfang des Buches. Hätte Estelle auf der Party nicht die verrückte Rothaarige getroffen, die offenbar genauso dringend aus ihrem Leben fliehen wollte, wie sie, hätte Estelle wahrscheinlich nie den Mut gefunden die ganze Reise wirklich durchzuziehen. Isy ist diejenige, die den Pick-up klaut und Daniel niederschlägt. Isy scheint die Mutige der Gruppe zu sein, die für ihre Meinung einsteht, die keine Angst vor einer Revolution für „das Richtige“ hat, die einfach eine Gruppe Fremder anspricht und schnell neue Freunde findet. Besonders zu Beginn der Geschichte war mir Isy am sympathischsten, vielleicht auch weil ich manchmal gern ein kleines bisschen mehr wie sie wäre.
Aber im Verlauf der Reise, merkt man, dass auch die mutige Kommunistin Angst hat und nicht nur aus Spaß ihrem alltäglichen Leben entflieht. Bei Höhenangst angefangen, über die Krankheit ihrer Mutter bis hin zu der Angst verlassen zu werden und kein Glück zu finden, über das Buch hinweg erhält dieser Charakter immer mehr Tiefe. Diese Entwicklung ist, meiner Meinung nach, sogar interessanter als die des Hauptcharakters und macht Isy noch sympathischer und vor allem sehr real.
Aber sie würde natürlich nicht so real wirken, wenn man sich nicht auch über ihre Äußerungen und Handlungen hin und wieder aufgeregt hätte. Ich für meinen Teil habe das definitiv getan, was mich zu einigen gesellschaftlichen Themen bringt: Isy spricht sehr oft davon, wie sie sich ein besseres Staatssystem vorstellt und betont dabei immer wieder, dass wir alle gleich wären und auch so vom Staat behandelt werden sollten. Bei ihren Überlegungen sind mir drei wesentliche Aspekte aufgefallen. Zum einen wird sie von einem starken Idealismus geleitet und hat, obwohl sie ständig auf den derzeitigen Staat und somit auf dessen Bürger schimpft, ein sehr positives Menschenbild. Sie glaubt alle von einem gemeinschaftlichen, fairen Miteinander überzeugen zu können, einfach, weil es natürlich total super klingt. Sie vergisst dabei aber, dass es eben auch sehr viele Menschen gibt, denen es egal ist, wie sehr andere leiden, damit erstere zu ihrem Profit, ihrer Villa und ihrem Pool kommen. Die leitende Eigenschaft der menschlichen Natur ist nun mal der Egoismus, weil wir ohne ihn nicht überleben könnten, bzw. uns nicht so weit entwickelt hätten. Die menschliche Natur lässt sich nicht in derart wesentlichen Charakteristika ändern. Zum andern widerspricht sie sich dadurch auch hin und wieder selbst, weil sie durch Daniels Argumentation mit den Menschen, die vielleicht keinen Kommunismus wollen, gezwungen wird, darüber nachzudenken, wie sie mit den Gegnern ihres Systems umgehen würde und das dann eben nicht mehr ganz so freiheitlich und gleich sein würde. Was mich aber am meisten an Isys Argumentation gestört hat, ist die durchgehende Ignoranz gegenüber des Unterschieds zwischen Gerechtigkeit und Gleichheit. Sie verwendet die beiden Begriffe wie Synonyme, aber das sind sie schlicht und einfach nicht. Gleichheit bedeutet, jeden, unabhängig seiner Voraussetzungen, gleich zu behandeln. Hat man zum Beispiel drei Menschen, die Äpfel pflücken wollen, aber unterschiedlich groß sind, würde man ihnen in einem von Gleichheit geprägten System drei gleich große Kisten geben, für jeden eine. Dass der Größte aber vielleicht gar keine und der Kleinste zwei Kisten bräuchte, um die Äpfel zu erreichen, wird nicht beachtet. Gerechtigkeit dagegen bedeutet, Ungleichheiten festzustellen, zu bewerten und gegebenenfalls auszuräumen. In unserem Beispiel würde man also letztendlich jedem so viele Kisten geben, wie er braucht, um die Äpfel zu pflücken. Sollte Isy also wirklich ein System der Gleichberechtigung aufbauen wollen, bräuchte sie trotzdem ein Äquivalent zu Richtern, um zu entscheiden, welche Vorgehensweisen und Handlungen ungerecht gegenüber anderer Mitmenschen sind, um so eine annähernd gleiche Basis für alle zu schaffen. Ich schätze Isys Optimismus und vor allem ihren Willen eine Welt zu schaffen, in der es allen, unabhängig von all den Schubladen, in die man uns stecken könnte, gut geht. Aber eine konkrete Ausgestaltung einer solchen Welt ist eben um ein Vielfaches komplizierter, als sie das in „Wir leuchten“ beschreibt, weil wir zwar im Großen und Ganzen alle nur Menschen sind, aber trotzdem jeder individuelle Bedürfnisse hat und mit unterschiedlichen Schicksalsschlägen leben muss. Außerdem frage ich mich als Vegetarier natürlich auch, ob sie ihren Willen zu einer stärkeren Gleichbehandlung auch auf die Tierwelt anwenden würde, was wiederum ein extremes Konfliktpotential birgt, aber auch sehr wichtig zu diskutieren ist.
Alles in allem, ist mir Isy einfach total sympathisch und ich glaube ich hätte riesigen Spaß daran gefunden, mit ihr zu diskutieren und vielleicht einen Weg zu finden, wie man realistisch wirklich etwas tun kann, um diese Welt ein kleines Stückchen besser machen kann. Denn sollte das nicht eigentlich unser aller Ziel sein?
Alles Liebe,
Aly
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