Blog Entry No. 17 – Die Bücherdiebin

Liebe Leser,

das Buch, um das es mir heute gehen soll, las ich kurz vor den Weihnachtsfeiertagen zuende und ich will ehrlich sein, es hat mir die besinnliche Stimmung verdorben. Aber das nehm ich dem Buch nicht übel, denn ich denke, dass genau das ein wichtiges Ziel des Werkes ist. Mir geht es um einen der, wie ich finde, wichtigsten Klassiker moderner Literatur: Markus Zusaks Die Bücherdiebin.

Markus Zusak wurde 1975 als Sohn einer Deutschen und eines Österreichers geboren. Deren Erzählungen über die Bombenangriffe auf München und die Judenverfolgung in Deutschland nutze er als Vorlagen für dieses Buch. Neben Die Bücherdiebin schrieb er noch fünf weitere Romane, wovon Der Joker ebenfalls sehr bekannt wurde. Aktuell lebt er mit seiner Familie in Sydney.

Das Cover dieser Ausgabe des Blanvalet Verlages (heute Teil der Penguin Random House Verlagsgruppe) ist recht schlicht gehalten. Man sieht lediglich den, an altes, vergilbtes Papier erinnernden, Hintergrund sowie den Tod, tanzend mit einem jungen Mädchen. Ich persönlich finde das Cover sehr aussagekräftig; altes Papier sinnbildlich für all die Geschichten, die gelesen und geschrieben werden, sinnbildlich für Papier im Keller, sinnbildlich für das Buch, dass der Tod so viele Jahre bei sich trug. Und dann natürlich die beiden Hauptpersonen: der Tod, eine generell unterschätzte Persönlichkeit, beeindruckt von Liesel Meminger, dem jungen Mädchen, einer Bücherdiebin, einer Autorin. Dieser Einband hat alles, was es braucht.

Die Geschichte scheint auf den ersten Blick recht unbeholfen zu beginnen, doch das spricht keineswegs gegen einen guten Schreibstil Zusaks, viel mehr für ihn. Er lässt die Erzählung authentisch beginnen, ganz so, als stünde man tatsächlich gerade einem Fremden gegenüber, der noch nie eine Geschichte erzählt hat. Schon der Anfang des Buches regt zum Nachdenken an, ich zumindest war mir nicht sofort sicher, dass wirklich der Tod höchstpersönlich die Geschehnisse erzählt und als ich mir dann sicher war, las ich den gesamten Anfang noch einmal, um auch alles, was der Tod von sich erzählt richtig auf mich wirken zu lassen und mit Vorstellungen zu vergleichen, die man sich selbst einfach im Laufe des Lebens so macht. Der Tod ist also ein ständiger Begleiter während man dieses Buch liest, aber da er mit so viel Witz und Liebe geschrieben wurde, ohne dabei seine Ernsthaftigkeit zu verlieren, empfindet man ihn am Ende eher als alten Freund und nicht als die Ursache aller Trauer. Die Ursache waren Menschen. In diesem Fall hauptsächlich Deutsche.

Liesel Meminger wurde in Deutschland geboren, kurz vor der Zeit des dritten Reiches. Weil ihr Vater als Kommunist verhaftet und gefoltert wird, kann er sich nicht mehr um seine Familie kümmern, woraufhin seine kranke Frau 1939 ihre neunjährige Tochter Liesel und ihren sechsjährigen Sohn Werner zu Pflegeeltern gibt. Auf dem Weg nach Molching, einer kleinen Stadt in der Nähe von München, in welcher die zukünftigen Pflegeeltern leben, treffen der Tod und Liesel das erste Mal aufeinander. „Ein heftiger Hustenanfall. Ein letzter Atemzug, der Endspurt. Und dann – nichts mehr.“ Auf diese Weise beschreibt der Tod Werners Ende. Als er seine Seele aus dem Körper trennte und das kleine Mädchen gerade aus einem Traum hochschreckte, sahen sie sich zum ersten Mal. Entgegen seines eigenen Rates, kommt der Tod zu Werners Beerdigung in einem namenlosen Dorf, um dort den ersten Diebstahl der Bücherdiebin zu beobachten – im Schnee. Der Zweite fand im Feuer statt. Doch ich will nicht zu weit vorgreifen. Um ein ungefähres Gefühl zu bekommen, um was es in diesem Buch geht, sei noch Folgendes gesagt: Liesel kommt in der Himmelstraße bei den Hubermanns an, in denen sie eine neue Familie findet und wo sie ein paar Jahre glückliche Kindheit geschenkt bekommt. Sie findet einen besten Freund und Diebstahl-Partner in Rudi, sie lernt Lesen in einem Keller, an dessen Wänden sie mit Farbe das Schreiben übt. Sie schenkt einem Juden Wolken und eine Schneeballschlacht im Keller. Sie liest in den furchterregendsten Stunden Menschen etwas aus ihren Büchern vor.
Doch keine Geschichte bleibt ewig gut und friedlich, besonders nicht wenn sie während des zweiten Weltkriegs spielt. Es sind Wörter, die ihr Leben retten.

Die Bilder habe ich bereits vor einiger Zeit gemacht, kurz nachdem das Buch bei mir ankam.

Die Bücherdiebin ist ein herausragendes Werk. Zusak brachte die Wörter für diesen Roman auf eine fesselnde, ungewöhnliche Art und Weise zusammen, die an keiner Stelle Zweifel offen ließ. Trotz der ungewöhnlichen Wahl des Erzählers, fand ich keine einzige Stelle, an der ich nicht geglaubt hätte, dass diese Geschichte tatsächlich vom Tod erzählt wird. Wenn man diese Tatsache weniger personalisiert und etwas metaphorischer betrachtet, kann man feststellen, dass dies eine unglaublich poetische Variante ist, eine traurige Geschichte des Lebens zu erzählen.
Obwohl in diesem Buch ein eher gemäßigtes Schicksal dieser Zeit verarbeitet wird (womit ich lediglich meine, dass während des dritten Reiches und besonders während des zweiten Weltkrieges noch deutlich mehr und vor allem grausameres Leid verursacht wurde), sind einige Szenen sehr heftig. Nicht unbedingt in der Art und Weise in der sie beschrieben wurden (zum Vergleich: Orwells 1984, besonders Teil 3, wurde bedeutend bildlicher und grausamer beschrieben, wodurch ich persönlich auch schlimmere Träume von 1984 als von Die Bücherdiebin bekam), aber hinsichtlich dessen, was man sich – auch durch das Wissen über diesen Teil der deutschen Geschichte – unter dem Beschriebenen und dessen was die jeweiligen Szenen bewirken, vorstellt. Wie bereits erwähnt, hat dieser Aspekt auch die besinnliche Zeit des letzten Weihnachtsfestes verdunkelt, besonders dadurch, dass ich zu dem Zeitpunkt gerade das Ende der Geschichte las, welches einige zutiefst traurige Begebenheiten mit sich brachte.
Natürlich ist aber zu sagen, dass es auch fröhliche Zeiten im Leben der Bücherdiebin gab und diese auch entsprechend Spaß gemacht haben zu lesen. Besonders die Entwicklung der Charaktere mitzubegleiten, ist eine Freude, die einem das Buch nicht nimmt. Da Liesel und Rudi vor allem auch einfach Fußball spielende Kinder sind, bietet Zusaks Werk neben ernsthaften und traurigen Berichten des Todes auch amüsante, niedliche und wundervolle. Einige der ersten Worte der Erzählung des Todes, können meiner Meinung nach auch dieses Buch sehr gut zusammenfassen und diese Review beenden: „Bitte glaubt mir: Ich kann wirklich fröhlich sein. Ich kann angenehm sein. Amüsant. Achtsam. Andächtig. Und das sind nur die Eigenschaften mit dem Buchstaben »A«. Nur bitte verlangt nicht von mir, nett zu sein. Nett zu sein ist mir völlig fremd.“

Ich würde Die Bücherdiebin jederzeit ein weiteres Mal lesen. Weil das Buch einfach unglaublich ist. Weil es gut ist. Weil es wichtig ist. Und weil ich den Tod, Liesel, Rudi, Max, Hans, Rosa und die Frau des Bürgermeisters in mein Herz geschlossen habe.

Mit besten Grüßen,
Aly

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